Fußball-Schlägerei: Urteil gegen Trainer ist gefallen

17.9.2020, 19:11 Uhr
Der verurteilte Trainer muss für zwei Jahre und sechs Monate in Haft.

© Nicolas Armer/dpa Der verurteilte Trainer muss für zwei Jahre und sechs Monate in Haft.

Wie gegen einen Fußball" – so beschreibt Markus Bader, Vorsitzender Richter am Landgericht Nürnberg-Fürth, die wuchtigen Tritte gegen den Kopf, die ausgerechnet ein Trainer einem 16 Jahre alten Spieler zugefügt hat. Dafür schickt die 19. Strafkammer den Trainer jetzt hinter Gitter: Versuchter Totschlag bringt ihm zweieinhalb Jahre Freiheitsstrafe ein. Den Tod des jungen Spielers habe der Angeklagte sicher nicht gewollt – doch wie hoch die Verletzungsgefahr ist, die Fußtritte gegen den Kopf bergen, sei ihm bewusst. Er habe sicher nicht mit Vorsatz gehandelt, doch mit den Tritten tödliche Verletzungen riskiert.

Am frühen Abend des 23. November 2019 standen sich die U-19- Teams des KSD Hajduk Nürnberg und der SG Boxdorf/Großgründlach im Nordwesten der Stadt in der Kreisliga gegenüber. Die Gäste des KSD führten mit 4:3, für die SG Boxdorf war der Ausgleichstreffer drin, da kam es zu einem bösen Foul.

Es wurde beleidigt, das Wort "Hurensöhne" fiel, es wurde gedroht, gerangelt, geschubst. Aus den "Spielgegnern wurden Kampfgegner", wie Richter Bader es nennt. Der Schiedsrichter zog zwei Rote Karten – und der Trainer rannte auf den Platz. Zu diesem Zeitpunkt, davon sind die Richter nach der Beweisaufnahme überzeugt, wollte der Trainer schlichten, doch als er selbst geschubst wurde, geriet dies zur "Initialzündung des weiteren Geschehens", wie es in der Urteilsbegründung heißt. Und der 16-Jährige wurde zum Zufallsopfer. Es gibt keinen Grund dafür, dass der Trainer eben ihn an den Haaren riss und niederschlug. Er trat ihm mit dem Fuß ins Gesicht und gegen den Kopf. Der Jugendliche erlitt einen dreifachen Bruch des Unterkiefers und eine Gehirnerschütterung. Monatelang konnte er nur Brei essen, die Ärzte mussten ihn mehrfach operieren, um seine Knochen und Zähne überhaupt wieder zusammensetzen zu können. Ob er wieder Fußball spielen will, sei fraglich, so sein Anwalt.

Auch der gerade verurteilte Jugendtrainer wird so schnell kein Fußballfeld mehr betreten: Obgleich der Mann, ein 50 Jahre alter Familienvater, seine Funktion als Trainer der Spielgemeinschaft Boxdorf/Großgründlach ehrenamtlich ausgeübt hatte, wird ein Berufsverbot verhängt. Drei Jahre darf er nicht mehr als Trainer oder Betreuer arbeiten. "Das finden Sie sicher selbst richtig", sagt Richter Bader, und der Angeklagte nickt stumm mit dem Kopf.

Sämtliche Regeln gebrochen

Im Prozess hatte der Angeklagte die Tat bedauert und sich mehrfach entschuldigt. Über seinen Anwalt Alexander Seifert ließ er dem Geschädigten bereits vor der Verhandlung 5000 Euro Schmerzensgeld als Anzahlung zukommen. Er habe aufrichtiges Bedauern gezeigt, davon sei die Strafkammer überzeugt, sagt Bader. Die tätige Reue wird als Täter-Opfer-Ausgleich gewertet und senkt den Strafrahmen.

Dazu kommt nach Überzeugung der Strafkammer, dass sich der Trainer in einem "affektiven Erregungszustand" befand, auch dies mildert die Strafe: Als am Ende des Fußballspiels auf dem Platz sämtliche Regeln gebrochen wurden, ging dies dem Trainer gegen den Strich. Sein eigener Sohn lief damals als Kapitän für die Spielgemeinschaft Boxdorf auf, der Trainer wollte schlichten – als er selbst einen Schlag einstecken musste, entglitt ihm die Situation. Er hatte sich nicht mehr im Griff, seine Fähigkeit, sich zu steuern, war erheblich gemindert, der Angeklagte gilt deshalb auch nur als eingeschränkt schuldfähig.

Die rechtliche Aufarbeitung dieses katastrophalen Fußballspiels ist damit noch nicht beendet: Im Landgericht wurde sechs Tage verhandelt, 23 Zeugen wurden gehört, und "so wie in diesem Verfahren musste ich mich noch nie belügen lassen", sagt Richter Bader. Erinnerungslücken seien quasi an der Tagesordnung gewesen – einige Zeugen wollten sich offenkundig nicht äußern, wohl um ihren Freund, den Trainer, zu schützen. Markus Bader spricht von einem "Trauerspiel" im Zeugenstand. Andere Zeugen belasteten den Trainer dagegen weit über Gebühr.

Schon aus Gründen der Generalprävention, Strafen sollen abschreckend wirken, sei das Gericht in diesem Fall von einer Freiheitsstrafe überzeugt. Doch aus Gründen der Generalprävention, auch dies verhehlt der Vorsitzende nicht, hoffen die Richter nun auf den Verfolgungseifer der Staatsanwaltschaft. "Wir hoffen auf ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussagen." Ein Delikt, bei dem Justitia keine Milde kennt, schließlich braucht’s zur Wahrheitsfindung Zeugen.


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