Gästeführer aus aller Welt zu Gast

9.3.2009, 00:00 Uhr
Gästeführer aus aller Welt zu Gast

© Michael Matejka

«Hier kam mit Helen Jungkunz 1996 erstmals in Nürnberg eine Frau ins Bürgermeisteramt«, erläutert Margot von Lölhöffel und deutet am Durchgang vom Rathaushof zum Fünferplatz hinauf zur alten Ratsstube, in der seit Jahrhunderten Entscheidungen in der Stadtpolitik fallen und vorbereitet werden. Ebenfalls im Rathaus, vor allem aber in Bonn hatte es eine andere bedeutende Nürnbergerin in einflussreiche Positionen geschafft: Käte Strobel. Furore machte unter anderem der erste Sexualkundeatlas für deutsche Schüler, der in ihrer Zeit als Bundesfamilienministerin vor genau 40 Jahren erschien. Und sie ist bis heute die einzige Frau unter den 47 Nürnberger Ehrenbürgern.

Steiniger Weg zur Gleichberechtigung

Wie lang und steinig der Weg gerade zur politischen und gesellschaftlichen Gleichberechtigung war, zeigen auch die anderen Stationen: Noch bis vor gut 100 Jahren war Frauen die Mitgliedschaft in politischen Organisationen grundsätzlich verwehrt – doch angesichts der drückenden Nöte in der Hochphase der Industrialisierung steckten Frauen aus dem Bürgertum wie Helene von Forster, die am Egidienberg wohnte, oder die erste Arbeitersekretärin Helene Grünberg all ihre Energie in soziale Initiativen. So entstanden eine Rechtsberatung, eine Dienstmädchenvermittlung, ein Wöchnerinnenheim und eine «Veraufsstelle für deutsche Wertarbeit«, in der Soldatenwitwen nach dem Ersten Weltkrieg Handarbeitswaren verkaufen konnten.

Und Agnes Gerlach, ab 1919 eine der ersten sechs Frauen im Nürnberger Stadtrat, hatte zuvor energisch für eine Befreiung vom Korsettzwang gekämpft und für das Recht, Hosen zu tragen – vor allem um Arbeiterinnen eine bequemere Kleidung zu ermöglichen. «Das Korsett war damals vielleicht so etwas wie heute die Burka in islamischen Ländern«, merkt eine Teilnehmerin an.

Denkmal für Trümmerfrauen

Und am Hans-Sachs-Platz, wo Petra Stamm-Wendel Bilder von der Steinwüste nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg zeigt, fordert eine andere Bürgerin die Errichtung eines Denkmals für die «Trümmerfrauen«.

Auf dem Johannisfriedhof hingegen dominiert bei Streifzügen zu interessanten Grabstätten dann doch wieder der Blick auf Männer-Geschichten. Passend zum bundesweiten Motto «Die Zeit verrinnt« stellen Gästeführerinnen wie Gabi Döhler zum einen Großhändler und Großkaufleute – von Stromer und Viatis bis zu Schwanhäußer und Schöller – vor, zum anderen weniger bekannteReisende undErfinder.EtwadenBüchsenmacherHans Morgenroth; ein sogenanntes Radschloss auf seinem Epitaph gibt einen Hinweis auf seine Spezialität. Oder die Ruhestätte des Stabsarztes Richard Kandt, der auf der Suche nach einer der Nilquellen bis ins Herz von Afrika vorgedrungen war und einen feinen Posten im damaligen Deutsch-Ostafrika erhielt – Zeichen dafür ist auf dem Grab eine Kaffeepflanze.

Und wie heute Seeleute vor Somalia in Piratenhand geraten können, wurde vor 450 Jahren der Jerusalem-Pilger Wolfgang Münzer vor Jappa von Räubern gekidnappt und zum Frondienst auf eine Galeere verschleppt. Nach zwei Jahren freigekauft, erinnern Grabwächter in türkischer Tracht auf einer Kreuzigungsdarstellung über seinem Grab an sein Schicksal. Den Bogen zurück zur jüngsten Vergangenheit spannt ein kurzes Gedenken am Grab von Erich Mulzer als großem «Altstadt-Entdecker«. Die Touren sind auch im neuen Jahresprogramm des Vereins der Nürnberger Gästeführer enthalten.