Geboren im iranischen Gefängnis

27.10.2019, 10:20 Uhr
Geboren im iranischen Gefängnis

© Foto: Real Fiction

 Die Berlinerin Maryam Zaree kennt man als SchauspielerinSie trat in verschiedenen "Tatorten" auf, zurzeit ist sie unter anderem in "Systemsprenger", einem aufwühlenden Kino-Drama über ein schwer zu bändigendes Mädchen, in einer Nebenrolle zu sehen. Für ihren ersten eigenen Film "Born in Evin" musste Maryam Zaree keine Rolle einstudieren. Denn in der Dokumentation erzählt sie von der Suche nach den Spuren ihrer eigenen Vergangenheit und der ihrer Eltern. Und davon, wie mühsam es ist, Licht in eine Zeit zu bringen, wenn es den Beteiligten schwer fällt, davon zu erzählen.

Maryam Zaree kam 1983 in dem berüchtigten iranischen Gefängnis Evin zur Welt. Vier Jahre zuvor, nach der iranischen Revolution, war der Schah gestürzt, Ayatollah Khomeini hatte als Staatschef und religiöser Führer die Macht übernommen. In Evin litten in der Folge politische Gefangene unter grausamsten Verhörmethoden und Lebensumständen, zum Teil wurden sie ermordet. Zarees Eltern gehörten zur Opposition, beide wurden getrennt inhaftiert, die zur Zeit der Verhaftung schwangere Mutter gebar ihr Kind unter denkbar widrigen Umständen im Gefängnis. Alle drei überlebten und flüchteten später nach Deutschland.

Zur Vorstellung ihrer Dokumentation im Nürnberger Filmhaus – einige der Zuschauer hatten selbst Erfahrungen mit Evin gemacht, wo auch der Träger des Nürnberger Menschenrechtspreises Abdolfattah Soltani inhaftiert war – konnte Maryam Zaree nicht anreisen. Doch man kommt ihr auch über ihren Film sehr nah – selbst wenn sie ihr Thema auf den ersten Blick etwas unentschieden angeht.

Durchaus mit Witz schildert die junge Frau zum Einstieg, wie klischeehaft die Sicht mancher deutscher Regisseure auf Migranten ist. Und sie fragt etwas naiv aus dem Off: "Wer ist schon in einem Gefängnis geboren?". Doch mit solchen Szenen begibt sich die Regisseurin, die mehr als vier Jahre an "Born in Evin" gearbeitet hat, im Grunde auf Augenhöhe mit dem Zuschauer. Man ist gleichsam dabei, wenn sie sich beharrlich und mutig den Zugang zu einem schwierigen Thema erarbeitet, wie sie ihre Sprache sucht.

Um Selbstfindung und Trauma-Bearbeitung sei es ihr nicht gegangen, sondern um eine politische Auseinandersetzung, sagte die 35-Jährige in einem Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk. Ihre Geschichte sei ein Teil der kollektiven Geschichte des Iran, heißt es im Film.

Es ist eine Geschichte des Schweigens. Von der Mutter, die heute als Psychologin und Politikerin arbeitet, hat sie nie viel erfahren. Auch der Vater spricht nur zögernd über seine sieben Jahre in Evin. Das Reden über die unmittelbar eigene Erfahrung scheint unmöglich, berichtet wird höchstens vom Schicksal anderer.

So setzt sich das grausame Bild von Evin, an das sich Zaree selbst nicht mehr erinnert, wie ein Mosaik nach und nach zusammen. Die Filmemacherin, die zugleich Protagonistin und roter Faden der berührenden Doku ist, reist durch die Welt, um Zeitzeugen zu finden und Menschen, die wie sie in Evin geboren sind.

Sie trifft Exil-Iranerinnen, die von den drastischen Zuständen im Gefängnis erzählen, eine Zellengenossin der Mutter, eine Filmemacherin, die über das iranische Massaker von 1988 recherchiert. Und etliche, die vor der Kamera nicht reden wollen. Am Ende hat Zaree viel erfahren, dennoch bleibt das Bild unvollständig. Das Lachen hat die junge Frau über die schmerzliche Recherche zum Glück nicht verloren. "Vielleicht ist der Film ein Dammbruch und animiert die Leute zum Reden", hofft einer der Zuschauer nach der Vorstellung.

"Born in Evin" läuft bis 30. Oktober im Nürnberger Filmhaus, Königstraße 93.

Verwandte Themen


Keine Kommentare