Gegen Seenotrettung: Nürnberger Pfarrer erntet heftige Kritik

20.10.2020, 17:06 Uhr

Matthias Dreher von der Melanchthon-Gemeinde hatte sich im Korrespondenzblatt des Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins in der evangelischen Landeskirche massiv gegen die Seenotrettung ausgesprochen. Seine Kirche selbst beteiligt sich an einem Schiff, das Flüchtende aufnimmt.

Die betroffenen Menschen brächten sich auf seeuntüchtigen Booten mit Sprit für nur wenige Seemeilen ganz "bewusst" in Lebensgefahr, um ihr Ziel, ein besseres Leben in Europa, zu erreichen. Ein Christenmensch könne daher "Verantwortung vernachlässigende Migranten ertrinken lassen", schrieb der promovierte Geistliche. Diese Haltung sei auch nicht zynisch.


Nürnberger Pfarrer würde "Migranten ertrinken lassen" - ein Kommentar


Die Nürnberger Dekaninnen und Dekane haben sich davon klar distanziert. In einer Konferenz sei ausführlich über die Seenotrettung diskutiert worden, angeregt durch die Äußerungen "unseres Kollegen" dazu. "Flüchtlinge ertrinken lassen geht gar nicht. Punkt!" zitieren die Dekane in einer Stellungnahme einen Satz aus der Abschlusspredigt des Dortmunder Evangelischen Kirchentags im vergangenen Jahr.

Schutz und Hilfe für Schwächere als biblische Grundbedingung

Man könne über vieles diskutieren, heißt es in der Stellungnahme weiter, etwa über die Frage, ob die Kirche ein Rettungsschiff mit Spenden unterstützen solle oder nicht, oder wie mit geflüchteten Menschen umgegangen werde, nachdem sie Europa erreicht hätten. Bei allem müsse der Minimalkonsens jedoch immer lauten: "Unter gar keinen Umständen darf man Menschen ertrinken lassen." Aus christlicher Sicht sei diese Forderung bedingungslos.


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Schutz und Hilfe für Schwächere sei eine biblische Grundbedingung. Daher könne man Reden und Handeln nicht trennen. "Auch das gehört zu unserer Glaubwürdigkeit", schreibt Stadtdekan Jürgen Körnlein im Namen seiner Nürnberger Kolleginnen und Kollegen.

"Unerträglicher Zynismus"

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm widersprach dem Nürnberger Pfarrer erneut vehement. Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen sei unverantwortlich. Die Behauptung, Seenotretter seien der Grund dafür, dass Menschen die Überfahrt über das Mittelmeer riskierten, sei widerlegt. Die Kirchenleitung wolle Matthias Dreher nun zu einem Gespräch laden, sagte ein Sprecher der Landeskirche.

Auch die Ökologische Partei Deutschlands (ÖDP) reagierte auf die Äußerungen des Pfarrers. "Die Haltung Dr. Drehers ist zutiefst zynisch", sagt der erst kürzlich gewählte Bundesvorsitzende Christian Rechholz aus Nürnberg. "Lassen wir dann künftig auch Unfallopfer verbluten, wenn sie sich nicht angeschnallt hatten? Retten wir Bergsteiger in Not nicht mehr oder lassen Skifahrer, die in eine Lawine geraten sind, erbärmlich ersticken?" Der ÖDP-Politiker spricht von "Zynismus" - und fordert stattdessen Solidarität.