Gesundheit im Betrieb ist Chefsache

18.3.2010, 00:00 Uhr
Gesundheit im Betrieb ist Chefsache

eine Herausforderung

Die Zahl der Erwerbstätigen wird sich von etwa 56 Millionen im Jahr 2000 auf 44 Millionen im Jahr 2050 verringern. Die Unternehmen müssten dieser Entwicklung mit einer altersgerechten Betriebspolitik begegnen, sagt Nadine Geißer, von der AOK Bayern. Nach Arbeitsunfähigkeitsanalysen der Krankenkasse werden Mitarbeiter unter 20 Jahren am häufigsten krank geschrieben, jeweils für durchschnittlich 5,2 Tage. Beschäftigte über 60 Jahren haben dagegen weniger Fehlzeiten, die im Mittel jedoch 21,7 Tage andauern. Die Ursache sei in chronischen Erkrankungen zu suchen, sagt die Beraterin für betriebliches Gesundheitsmanagement. Wer wie lange krank ist, hängt stark vom Beruf ab. Straßenreiniger und Gerätebauer kamen 2008 auf 28,3 beziehungsweise 23,8 Fehltage, während Ärzte und Hochschullehrer 6,7 bzw. 4,7 Tage ausfielen.

Die Liste der zehn häufigsten gesundheitlichen Beschwerden wird von Rückenschmerzen angeführt, gefolgt von Verspannungen, Müdigkeit, Gelenk- und Kopfschmerzen, Nervosität, Schlafstörungen, Hautproblemen, Reizbarkeit und Magenschmerzen. »Die Hälfte bis drei Viertel aller Arbeitnehmer erkennen einen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und ihrem Arbeitsplatz», so Geißer. »Ältere Mitarbeiter sind nicht weniger, sondern anders leistungsfähig als jüngere», betont Geißer. Sie erreichten die gleichen Ergebnisse mit weniger Aufwand, verfügen über ein ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein und meist über mehr Pflichtgefühl. Ältere Beschäftigte hätten einen betriebsspezifischen Erfahrungsschatz und könnten ihre Fähigkeiten in der Regel realistischer einschätzen als jüngere. »Außerdem verfügen sie über mehr Sozialkompetenz», betont Geißer. Die Gesunderhaltung der alternden Belegschaft müsse daher im Interesse jedes Unternehmers liegen.

Man hat nur einen Körper: Yoga und Gemüse in der Pause

»Ein kranker Mitarbeiter ist nicht der, den wir uns erhoffen», sagt Erich Schuster, Mitbegründer der Erlanger Defacto Gruppe, die auf Dialog-Marketing spezialisiert ist. Nur gesunde und fitte Mitarbeiter könnten Höchstleistungen erbringen und seien weniger krank. Deshalb müsse das betriebliche Gesundheitsmanagement zur Chefsache erklärt werden. Schuster stellt seinen Mitarbeitern kostenlos Mineralwasser, Obst und Gemüse zur Verfügung. In der Mittagspause biete eine Yoga-Trainerin Entspannung an. Nordic-Walking-Stöcke könnten jederzeit ausgeliehen werden. »Man hat nur den einen Körper», sagt der Unternehmer, der vor 12 Jahren seine Lebensweise umgestellt hat. »Ein Lauftermin ist genauso wichtig wie ein Geschäftstermin». Durch nachhaltiges Gesundheitstraining ließen sich 92 Prozent aller Herz-, 90 Prozent aller Diabetes- und 50 Prozent aller Krebserkrankungen vermeiden. Wer körperlich fit sei, könne sein Leben bis zu 15 Jahre länger genießen. »Sie sterben trotzdem, aber Sie sterben gesund», witzelt Schuster.

Work-Life-Balance: Nicht nur die Arbeit zählt

Die Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf wird immer mehr zu einem Entscheidungskriterium für Arbeitnehmer. »Jeder sechste Unternehmer kann offene Stellen nicht mehr besetzen und 60 Prozent der Mittelständler haben Probleme, geeignete Angestellte zu finden», sagt Florian Karl, von der Barmer GEK. Die Arbeitsbedingungen sollten daher so verbessert werden, dass die Mitarbeiter Beruf und Privatleben in Einklang bringen können. Sie brauchen Zeit für ihre Kinder, Zeit für Ehrenämter, Zeit für die Pflege von Angehörigen. »Nicht alle Beschäftigten haben Kinder, aber jeder hat Eltern», sagt Karl. Work-Life-Balance bedeutet, dass sich die Arbeitnehmer im Betrieb wohl fühlen. Doch die Realität sehe anders aus, rechnet der Barmer-Mitarbeiter vor: »Zwei Drittel der Beschäftigten fühlen sich bei der Arbeit gestresst und etwa zehn Prozent der Fehltage entfallen mittlerweile auf psychische Erkrankungen.»

Bildschirmarbeit – eine Frage der Einstellung?

»Was nutzt die Einstellung, wenn man nicht die Einstellung dazu hat?» fragt Thomas Jähnig, von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft. Die ergonomischen Parameter eines Bildschirmarbeitsplatzes ließen sich vergleichsweise leicht regeln, doch ohne eine entsprechende Unternehmensphilosophie werde sich der Arbeitnehmer nie wohl fühlen. »Wenn der Mensch kein Ziel hat, ist ihm jeder Weg zu weit», zitiert Jähnig. Nach einer Umfrage des Gallup-Instituts (2009) sind nur 13 Prozent der Mitarbeiter engagiert und fühlen sich an das Unternehmen emotional gebunden. 67 Prozent machen Dienst nach Vorschrift, die restlichen 20 Prozent haben bereits innerlich gekündigt und verhalten sich eher destruktiv.

»Bildschirmarbeit macht nicht krank», sagt Jähnig. Krank mache vielmehr die dauerhafte Belastung des Mitarbeiters durch eine Vielzahl von internen und externen Einflüssen. Neben Faktoren wie Lärm, Klima und Beleuchtung zählen dazu etwa auch schlechte Mitarbeiterführung, fehlende Entscheidungsspielräume und ein schlechtes Betriebsklima. Firmen sollten ihre Mitarbeiter in die Unternehmenspolitik integrieren, ihre Beteiligung auf allen Ebenen fördern, die Arbeitsorganisation verbessern und die persönlichen Kompetenzen der Beschäftigten stärken, rät er.

Depression am Arbeitsplatz: verdrängt und häufig unerkannt

Jede vierte Frau und jeder achte Mann erkranken im Laufe des Lebens an einer Depression. »90 Prozent bleiben ohne Behandlung», sagt Klaus Weckwerth, vom Nürnberger Bündnis gegen Depression. Zum einen hätten die Betroffenen Angst vor der Diagnose, zum anderen gäbe es meist körperliche Symptome wie Magenprobleme oder Schlafstörungen, welche die psychische Erkrankung überdecken. »Hinter dem Begriff Burnout versteckt sich eine Depression», sagt der Experte. Die chronische Erschöpfung sei das letzte Warnsignal, bevor es zum plötzlichen Ausbruch der Krankheit kommt. Am Anfang stehen Antriebslosigkeit und mangelnde Motivation sowie akute Erschöpfungszustände. Wenn Mitarbeiter über Wochen und Monate dünnhäutig und reizbar sind, Konzentrationsstörungen zeigen und ihre Motivation verlieren, sollten sie einen Arzt oder Psychotherapeuten aufsuchen, rät Weckwerth. Die Krankheit sei in den meisten Fällen gut behandelbar, man müsse sie nur rechtzeitig erkennen.

Informationen zum Projekt

»Gesunde Arbeit»: Magdalena Kranig, : 09 11 9 38-72 59

gesunde.arbeit@bfw-nuernberg.de

www.gesunde-arbeit.net

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