Graffiti-Künstler malte Wandbild in Bagdad

4.1.2015, 14:42 Uhr
Graffiti-Künstler malte Wandbild in Bagdad

© Fotos: privat

Sie waren kürzlich im Irak. Hatten Sie keine Angst?

Julian Vogel: Ich hatte vorher schon Bauchgrummeln und mir genau überlegt, ob ich hinreisen soll. Man bekommt mit, dass die Situation dort angespannt ist. So gab es in Erbil im Norden des Landes gleich am zweiten Tag ein Selbstmordattentat vor dem Regierungssitz. Das war direkt um die Ecke. Viele Kinder aus meinem Graffiti-Workshop mussten nach Hause fahren, weil die Eltern in Sorge waren.

 

Was hat ein professioneller Graffiti-Künstler dort zu suchen?

Vogel: Nach dem Graffiti-Workshop habe ich mich in Bagdad mit irakischen Künstlern getroffen, um eine 30 Meter lange Wand auf dem Gelände eines staatlichen TV-Senders zu besprühen. Das war Teil meines „World Peace Walls“-Projekts. Hier bemale ich seit sieben Jahren weltweit Wände zum Thema Frieden. Bislang sind elf Wandbilder entstanden, in Bagdad war meine größte Wand. Das Bild ziert Hände in verschiedenen Formen. Als Symbol, dass man in dem Land anpacken muss. Die Fassade wurde vom Goethe-Institut ausgewählt, weil wir dort in Ruhe arbeiten konnten.

 

Häuser werden dort zerbombt, viele Wände stehen nicht mehr. Was bringt den Menschen ein Graffiti von Ihnen?

Vogel: Klar, das ist jetzt nicht das wichtigste, was man vor Ort braucht. Die haben dort andere Probleme als kahle Hauswände. Letztendlich habe ich aber mitbekommen, dass die Graffiti die Menschen vor Ort anregen, sich mit dem Thema Frieden auseinanderzusetzen. Gerade in Bagdad ist das Saddam-Hussein-Regime und der Krieg noch spürbar. Teilweise ist es sehr trostlos. Es fehlen Leute, die sich darum kümmern, dass das Umfeld wieder schöner wird.

 

Sie glauben also, dass Ihre Kunstwerke etwas bewegen?

Vogel: Auf jeden Fall. Ich hatte mal einen Graffiti-Workshop in Uganda mit Kindersoldaten. Die kennen so etwas nicht. Die kennen sich eher mit Waffen und Drogen aus. Gewalt ist ihr einziges Ventil, um sich auszudrücken – überspitzt gesagt. Es war unglaublich mitzuerleben, wie sehr sich diese Kids über einen Eimer Farbe freuen. Natürlich habe ich mit ihnen auch über Frieden und ihre Situation geredet. Weil ich mit einigen vor Ort immer noch Kontakt habe, weiß ich, dass es das Wandbild noch gibt und noch immer schöne Erinnerungen damit verbunden werden. Da hatte ich vorher große Zweifel, ob mein Projekt etwas bringt.

 

Haben Sie auch mal Ablehnung erlebt?

Vogel: Das war 2013 in Antalya. Da fand eine Partnerstadt-Veranstaltung statt, zu dem verschiedene Nürnberger Künstler eingeladen wurden. Dort wollte ich etwas Permanentes von mir hinterlassen. Die Stadt stellte mir eine zentral gelegene Brücke zur Verfügung, die ich gestalten durfte. Damals regierte noch ein liberaler Bürgermeister, der sich viel um Kultur kümmerte. Nach einem Wechsel an der Stadtspitze im Frühjahr 2014 wurde es konservativer. Zu jener Zeit wurde auch mein Bild übertüncht. Genau weiß ich es nicht, aber es hatte wohl nicht mehr gepasst. Da wurde ich zum Spielball der Politik, was ich überhaupt nicht wollte.

 

Haben Sie denn eine politische Botschaft?

Vogel: Das möchte ich vermeiden. Meine Bilder haben eine freiere Aussage, als das sie sich in eine politische Ecke drängen ließen. Gerade bei der Arbeit mit den „World Peace Walls“ werde ich jedes Mal mit einer besonderen politischen Situation in den verschiedenen Ländern konfrontiert. Da versuche ich, meine Bilder gerade so zu gestalten, dass sie nicht politisch oder religiös sind. Ich wähle den Mittelweg, den jeder versteht und der frei zu interpretieren ist.

 

Ihre Reisen in Krisengebiete sind nicht ungefährlich. Wie können Sie das vor Ihrem zwölfjährigen Sohn verantworten?

Vogel: Ich würde nirgendwo hinreisen, wo ich mein Leben aufs Spiel setze. Bisher hatte ich noch bei jedem Land das Gefühl, gut aufgehoben zu sein. Im Fall von Bagdad habe ich vorher die Mitarbeiter des Goethe-Instituts gefragt, wie sie die Situation vor Ort einschätzen.

 

Kann Nürnberg mit der internationalen Graffiti-Szene mithalten?

Vogel: Nein. Ich liebe Nürnberg, aber es hat noch Potenzial nach oben. Deshalb habe ich mit zwei weiteren Künstlern das Projekt „Nurban“ ins Leben gerufen, bei dem wir Wandgestaltung – keine Straßengraffiti – in der Stadt verbreiten wollen. Wir finden, dass Farbe das Stadtbild verschönert. Es gibt einfach zu viele kahle Wände. An der Fürther Straße etwa sind überall leere Hausfassaden.

 

Gibt es hier auch bald eine „World Peace Wall“?

Vogel: Nein. Obwohl . . . ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Aufgrund seiner Geschichte wäre Nürnberg dafür schon interessant.

 

Können Sie sich vorstellen, künftig auf ein Leinwand-Format umzusteigen? Die Dämpfe aus den Sprühdosen sind auf Dauer ja ungesund.

Vogel: Nein, da fehlt mir die Muße. Mir gefällt es einfach, auf großen Wänden zu arbeiten. Mittlerweile benutze ich verschiedene Techniken wie Öl oder Klebeband, sogenannte Tape-Art. Das ist alles ungefährlich.

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