Grenzgänger zwischen Stilen und Städten

4.11.2008, 00:00 Uhr
Grenzgänger zwischen Stilen und Städten

Axel Voss: In der Schule sollten wir einen Schornsteinfeger malen. Dem Alter entsprechend kamen steifbeinige Strichmännchen dabei heraus, meiner war der Einzige, der ein Bein übergeschlagen hatte - da kann man mal sehen, was so ein bisschen Lob anrichten kann.

NZ: Auch Genies haben Hunger: Was haben Sie gestern zu Mittag gegessen?

Voss: Mittagessen vergesse ich oft, ich hau’ dann abends rein, esse aber nichts Interessantes.

NZ: Wo fängt Kunst an und wo hört sie auf?

Voss: Hier könnte man stundenlang schwadronieren und hätte am Ende doch nur geschwafelt.

NZ: Welche Techniken stehen Ihnen zu Gebote?

Voss: Ich zeichne hauptsächlich und beschäftige mich intensiv mit dem Siebdruck.

NZ: Welchen lebenden Nürnberger Künstler schätzen Sie besonders ?

Voss: Nachdem ich mir jetzt sowieso Feinde mache, will ich wenigstens drei nennen. Paul Teutsch, weil seine minimalistischen Metall-Plastiken es dem Rezipienten nicht einfach machen, der Bildhauer Christian Rösner, weil er sein Thema stets variiert, und aus der Altherrenriege Toni Burghart wegen seinem Witz.

NZ: Was ist der Sinn des Lebens?

Voss: Loyal zu seinen Freunden stehen und Armleuchter in ihre Schranken weisen. Allen anderen kann man zunächst mal maßvoll mit Respekt und Empathie begegnen. Das ist so wie bei Star Trek.

NZ: Wie wichtig ist Ihnen die sogenannte Hochkultur wie Staatstheater, Opernhaus, Klassische Konzerte?

Voss: Bedeutet mir nichts, ich bin kein Bildungsbürgerkind, und die Schule hat mir ein Grauen davor eingeflößt. Meine Sozialisierung fand statt mit Rockmusik, ich habe eine umfangreiche Comicsammlung und interessiere mich für Science-Fiction. Nichtsdestotrotz kann man auch mit diesem kulturellen Unterbau problemlos ein ganz wunderbarer Snob sein.

NZ: Wie hart ist der Konkurrenzkampf unter Künstlern in Nürnberg?

Voss: Welcher Konkurrenzkampf? Wir treffen uns regelmäßig zu Gruppenumarmungen.

NZ: Hat man größere Chancen bei den Frauen, wenn man Künstler ist?

Voss: Wenn die Frau berufstätig ist und der Künstler witzig, charmant und gut aussehend, dann könnte ich mir das durchaus vorstellen.

NZ: Wie wichtig ist die öffentliche Förderung der Künste?

Voss: Ich bin noch nicht ausreichend genug öffentlich gefördert worden, um hier ein faires Urteil abzugeben. Allerdings erinnere ich mich, dass ich in diesem Jahr den Flughafen Nürnberg gefördert habe. Im Rahmen der «Tier & Mensch»-Schau habe ich dort mit ausgestellt, und das millionenschwere Unternehmen sah sich außerstande, auch nur die trivialsten Transportkosten zu übernehmen. Die finden Kunst super, solange es sie nichts kostet. Konsequenterweise gab’s dann auch die Vernissage zur arbeitnehmerfreundlichen Zeit am Dienstag, elf Uhr vormittags.

NZ: Wozu braucht es eine Kunstakademie?

Voss: Ich habe mich dort durch mein Comicinteresse fortwährend als Alien gefühlt.

NZ: Beschreiben Sie Ihr derzeit schlechtestes Werk?

Voss: Sich selber als schlecht zu beschreiben, ist etwas viel verlangt.

NZ: Haben Sie je mit dem Gedanken gespielt, Franken zu verlassen, und warum sind Sie immer noch hier?

Voss: Selbstverständlich überlegt man sich so was. Glasgow oder Lissabon wären für mich tolle Städte. Die Franken haben aber einen herben Charme, ein besonders charmantes weibliches Exemplar hab ich geheiratet, so ziehe ich es vor, gelegentlich zu verreisen.

NZ: Wo finden in Nürnberg die besten Ausstellungen statt?

Voss: Noch so eine Frage, bei der man sich Feinde macht. Prinzipiell kann man zu allen lokalen Austragungsorten gefahrlos hingehen. Im Galeriehaus Nord fühle ich mich gerade sehr willkommen und umsorgt. Reizend auch die Galerie in Zabo sowie das Kunsthaus, wenngleich letzteres gelegentlich bei seinen unkuratierten Vereinsausstellungen schwächelt. Wichtiger finde ich immer, wer ausstellt, nicht so sehr wo.

NZ: Wenn Sie noch mal von vorne anfingen - was würden Sie anders machen?

Voss: Wahrscheinlich das gleiche noch mal, nur diesmal mit mehr Selbstbewusstsein.

NZ: Wie haben Sie Ihren Eltern beigebracht, dass Sie Künstler sind?

Voss: Ich bin mit 18 zuhause ausgezogen, mein Vater glänzte durch vollständige Abwesenheit, meine Mutter durch geistige, da gab es nicht viel beizubringen.

NZ: Wann nervt Kunst?

Voss: Kunst selber kann man ja recht leicht ausblenden, man guckt einfach nicht hin. Was nervt, sind devote Künstler, die alles mitmachen, «kunstinteressierte» Schnäppchenjäger, No Budget-Mäzene, Hallo-und-Tschüs-VIPs sowie Kunstverwalter, die nicht verstehen, dass sie ohne uns weniger zu verwalten hätten.

NZ: Was ist Stil?

Voss: Unter anderem Wiedererkennbarkeit.

NZ: Lesen Sie Kritiken über Ihre Arbeit?

Voss: Klar, aber zuerst zeig ich’s jemand anderem und frage: «Ist es sehr schlimm?»

NZ: Wie finden Kinder Ihre Werke?

Voss: Kleinere so spannend wie eine Oper, Jugendliche sagen schon mal: cool.

NZ: Wie heilig ist Ihnen die Kunst?

Voss: Bin durch und durch profan.

NZ: Haben Sie Angst vor dem Tod?

Voss: Nach allem, was man so liest, muss man wohl davon ausgehen, dass es einen auch erwischen wird. Generell halte ich Todesangst aber nur phasenweise für vorteilhaft, etwa wenn man am Abgrund hängt.

NZ: Was ist Schönheit?

Voss: Gottseidank für jeden etwas anderes. Fragen: Mückl & Zawodsky,

Fotos: Harald Sippel

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