Grethlein im Interview: "Wir wollen einen Hexenkessel"

25.7.2015, 11:00 Uhr
Fachgespräch unter Führungskräften: Wolfgang Wolf (links) und Thomas Grethlein während des Testspiels gegen Celta de Vigo (2:2) in Weismain.

© Sportfoto Zink Fachgespräch unter Führungskräften: Wolfgang Wolf (links) und Thomas Grethlein während des Testspiels gegen Celta de Vigo (2:2) in Weismain.

Warum will der 1. FC Nürnberg ein neues Stadion bauen? Sollte die Entscheidung nicht in sportlich erfolgreichen Zeiten erfolgen?

Grethlein: Es gibt zwei Gründe, die für ein neues Stadion sprechen: Wenn man die Konkurrenten anschaut, dann sind sie von der Vermarktungsseite in diesem Bereich besser aufgestellt, weil ihre Stadien mehr Möglichkeiten bieten. Die Vermarktung ist aber nicht der einzige Grund. Ein richtiges Fußballstadion muss auch etwas von einem Hexenkessel haben. Da müssen die Zuschauer an das Spielfeld heranrücken und das ist bei uns bislang nicht gegeben.

Unser schönes Stadion begeistert noch heute mit seiner Architektur, aber es erfüllt nicht mehr so ganz den Zweck eines Fußballstadions. Wir müssen aber auch darauf schauen, dass wir in Zukunft wirtschaftlich mit den Konkurrenten mithalten können und unsere fantastischen Fans noch besser als "zwölften Mann" zur Geltung kommen können. Und zu Ihrer Frage nach den sportlich erfolgreichen Zeiten: Eine endgültige Entscheidung ist ja selbst von unserer Seite noch nicht gefallen – aber als gewissenhafte Geschäftsleute müssen wir uns mit mittelfristigen Planungen beschäftigen; auch wenn wir wissen, dass ein modernes Stadion keine Gewähr für erfolgreichen Fußball bietet.

Sind mit besseren Vermarktungsmöglichkeiten nur mehr neue Vip-Logen gemeint?

Grethlein: Das haben wir nicht einmal vor, weil die Logen doch nur eine spezielle Zielgruppe ansprechen und man langsam von dem Logen-Konzept wegkommt. Das liegt an den Compliance-Regeln der Unternehmen (das ist die Einhaltung von steuerlichen Reglungen und Unternehmensvorschriften, NZ). Es soll einen größeren Hospitality-Bereich und mehr VIP-Räume geben. Wir wollen damit Unternehmer, vor allem Mittelständler, aber auch Freiberufler ansprechen.

Der Hospitality-Bereich soll zu einer Art Begegnungsstätte werden und da sind Logen eher hinderlich, weil sie abgrenzen. Selbst das kleine Ingolstädter Stadion hat mehr Möglichkeiten als wir. In anderen Stadien finden Tagungen und kleine Kongresse statt. Da wird an manchen Tagen oft mehr verdient als mit Fußball. Denkbar ist auch eine Kooperation mit der NürnbergMesse. Wir brauchen mehr neue Nutzungen.

Bleibt der 1. FC Nürnberg bei der Vermarktungsgesellschaft Sportfive?

Grethlein: Sportfive ist ein langjähriger Partner, mit dem wir vertrauensvoll zusammenarbeiten. Der Vertrag läuft noch einige Zeit. Wie sich die Zusammenarbeit in der Zukunft gestaltet, wird allerdings noch intern gemeinsam erarbeitet.

Wir groß soll das neue Stadion sein und gibt es schon einen Entwurf?

Grethlein: Ja, den gibt es, den werden wir aber vorerst nicht veröffentlichen, weil er noch nicht fertig ist. Ein neues Stadion könnte von der Zuschauerzahl her etwas kleiner sein als das jetzige Stadion. Gedacht ist an einen Umbau. An besonderen architektonischen Gegebenheiten wie der Achteckform wollen wir festhalten.

Wäre es nicht besser, ein neues Stadion neben dem schon vorhandenen zu bauen und dieses als Multifunktionsarena zu verwenden?

Grethlein: Nach meiner Einschätzung wäre ein neues Stadion in Nürnberg politisch wohl nicht durchsetzbar.

Für einen quasi Neubau an gleicher Stelle gibt es aber doch viele Schwierigkeiten zu überwinden, die schon bei beim Umbau für die Fußball-WM 2006 aufgetaucht sind. Bei einer Tieferlegung des Spielfelds stößt man schnell aufs Grundwasser. Wenn die Zuschauer näher ans Spielfeld rücken, dann würde die Spannweite des Daches nicht mehr reichen, um ausreichend Schutz zu bieten und die 800-Meter-Bahn ist im Weg. Wenn die Bahn bleibt, dann macht der Neubau doch gar keinen Sinn?

Grethlein: Die Probleme sind uns bekannt. Die Tribüne bekäme einen anderen Winkel, um die Bestuhlung an das Spielfeld heranzuführen. Das alte Dach würde durch ein neues ersetzt werden.

Wie sieht der Realisierungszeitraum aus? Es besteht doch die Gefahr, dass Sie Fördergelder für den letzten Umbau des Stadions an den Freistaat zurückzahlen müssen?

Grethlein: Wir haben bei der Stadt ein Konzept für einen Pachtvertrag eingereicht. Schon allein dieser Pachtvertrag wäre von Vorteil, weil wir dann an den Betreiber direkt heranrücken könnten und daraus ein finanzieller Vorteil entstünde. Um das Projekt zu realisieren, brauchen wir Partner an unserer Seite. Es geht uns erst einmal um den Betrieb. Alles Weitere wird man dann sehen. Mit dem Pachtvertrag ist auch ein Erbbaurechtvertrag verbunden, so dass in einem zweiten Schritt auch Umbaumaßnahmen durchgeführt werden könnten, aber das ist Zukunftsmusik. Im Gegensatz zu einer Betreibergesellschaft, die eine Dienstleistung für die Stadt erbringt, muss ein Pachtvertrag nicht ausgeschrieben werden.

Wir würden gerne Mitte nächsten Jahres das Stadion übernehmen und 2019, vielleicht schon 2018, wenn alle rechtlichen und finanziellen Bedingungen geklärt werden können, mit dem Umbau beginnen. Für den Umbau des Stadions würden wir jedenfalls keine Fördergelder vom Freistaat oder von der Stadt in Anspruch nehmen. Das neue Stadion kann deshalb nicht gegen den Bau von Kindertagesstätten ausgespielt werden, denn die Stadt müsste sich finanziell nicht engagieren. Im Gegenteil: Sie müsste das Stadion, das langsam in die Jahre kommt, nicht mehr instand halten.

Wie sieht die Finanzierung des Stadionprojekts aus und was soll es kosten?

Grethlein: Wir gehen von einem hohen Millionenbetrag aus. Um dies unabhängig vom sportlichen Betrieb stemmen zu können, streben wir für eine Pacht eine Kooperation an, wie zum Beispiel unter anderem mit der Firmengruppe Max Bögl als Partner.

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