"Gympie Gympie": Ein Besuch bei digitalen Gründern

9.11.2018, 14:41 Uhr
Die drei „Gympie Gympie“-Gründer in ihrem Büro in Zabo: Sebastian Lock, Emma Martschinke und Anselm Franke (von links) machen unter anderem Fotos, schreiben Werbetexte und fertigen Illustrationen an.

© Michael Matejka Die drei „Gympie Gympie“-Gründer in ihrem Büro in Zabo: Sebastian Lock, Emma Martschinke und Anselm Franke (von links) machen unter anderem Fotos, schreiben Werbetexte und fertigen Illustrationen an.

Buchhaltung machen, Rechnungen schreiben, sich ums Marketing kümmern, neue Kunden akquirieren: "Ich gebe zu: Das hatten wir uns anders vorgestellt", sagt Sebastian Lock. Als Gründer eines Gestaltungsbüros könne man eben nicht nur kreativ sein, sondern müsse auch alles andere organisieren. "Das ist ein Allround-Bauchladen und nimmt viel Zeit in Anspruch", bestätigt seine Kollegin Emma Martschinke.

Als Studienfreunde von der geplanten Selbstständigkeit hörten, waren sie begeistert. Können wir auch mitmachen?, fragten sie. "Die sehen aber nur das Positive daran, nicht die Herausforderungen und Risiken", sagt die 23-Jährige. "Ich sitze auch mal bis 22 Uhr am Laptop. Die Distanz zum Job ist weg, dein Job bist du." Doch die Entscheidung, sich selbstständig zu machen, bereuen die drei nicht.

Zusammen mit Anselm Franke (26) haben Lock (31) und Martschinke vor etwas mehr als einem Jahr in Zerzabelshof ein Büro für Gestaltung gegründet. Die drei haben sich an der Technischen Hochschule beim Design-Studium kennengelernt. Eine Festanstellung kam nach dem Abschluss für keinen infrage. Da sie Freunde sind und gut zusammen arbeiten können, war die gemeinsame Selbstständigkeit der nächste logische Schritt.

Das Büro heißt "Gympie Gympie". "Das ist eine australische Brennnessel, die stärkste und giftigste der Welt", sagt Martschinke. Es gebe eine Legende, wonach sich ein Mann, nachdem er sich an der Pflanze verbrannt hatte, verrückt wurde. "So wollen wir auch sein, aber im positiven Sinn. Die Leute, die mit uns arbeiten, sollen verrückt nach unseren Sachen sein."

Jeder hat andere Schwerpunkte

Das sind zum einen Fotos, etwa Mitarbeiter-Porträts für Unternehmen, aber auch ganze Bilderstrecken für Zeitschriften oder Magazine. Die "Gympie-Gympie"-Gründer fertigen auch Illustrationen an, von Hand gezeichnet oder am Computer erstellt, und schreiben Werbetexte. "Wir machen aber auch viel Gestaltung. Die meisten Anfragen kommen dabei aus dem Bereich der Produktvisualisierung", sagt Franke.

Vieles werde heute nicht mehr abfotografiert oder abgefilmt, sondern am Computer entworfen - 3D-Design heißt das. "Da gibt es keine Dellen oder Kratzer wie im echten Leben, die man mühsam wieder herausretuschieren muss." Auch die Lichtverhältnisse ließen sich am PC optimal anpassen. Man könne neue Autos auf Straßen fahren lassen, die es gar nicht gibt. Sogar das Produkt selbst muss noch gar nicht real existieren. Fotos und Filme entstehen komplett digital. Erst vor Kurzem hat Anselm Franke am Computer Hintergründe entworfen, vor denen der Sportartikelhersteller Adidas neue Schuhe positioniert. Der Auftrag davor war, eine animierte Startseite für die Homepage eines Architekturbüros zu gestalten.

Die drei Freunde ergänzen sich gut, jeder hat andere Schwerpunkte: Sebastian Lock fotografiert und macht Grafikdesign, Anselm Franke ist für Illustration und 3D-Design zuständig, Emma Martschinke illustriert und textet.

Kamera, Stift und Block, Computer: Für das Gestaltungsbüro sind das mit die wichtigsten Arbeitsutensilien.

Kamera, Stift und Block, Computer: Für das Gestaltungsbüro sind das mit die wichtigsten Arbeitsutensilien. © Michael Matejka

In ihrem Büro an der Waldluststraße - ein ehemaliger Friseursalon - arbeiten die drei auf engem Raum zusammen, geben sich Tipps, machen gemeinsam Mittagspause. "Eigentlich könnten wir alle drei getrennt voneinander zu Hause am Computer arbeiten, aber wir wollen das gemeinsam im Büro tun. Wir brauchen das Umfeld und die Einflüsse."

In dem Raum mit den zwei Schaufenstern steht neben den PCs auch ein Sofa in der Ecke. Es gibt einen großen Holztisch mit einem Süßigkeitenglas, eine kleine Teeküche, einen Metallspind, ein paar Illustrationen an den Wänden, am Boden liegt ein bunter Teppich. "Die Holzdecke ist noch aus den 1970er Jahren", sagt Lock. "Und wir haben überall halbhohe Steckdosen an den Wänden, von den Fönen und Trockenhauben."

In Zabo ist es ruhig. Das Büro liegt in einem Wohnviertel. "Wir genießen es, dass wir so weit vom Schuss sind und im Grünen", sagt Martschinke. Auf Laufkundschaft seien sie nicht angewiesen, und durch den Tiergarten und die Akademie der Bildenden Künste sei der Stadtteil gut an die öffentlichen Verkehrsmittel angeschlossen.

Nach München, wo die digitale Szene groß ist und es viele Investoren gibt, hat es die drei "Gympies" nie gezogen. "In München kannst du schnell richtig Geld machen, dafür ist da der Druck und die Konkurrenz größer", sagt Lock. In Nürnberg herrsche noch eine andere Mentalität: "Deswegen mögen wir es auch hier." Die anderen Agenturen sähen das neue Büro nicht als Konkurrenz. "Die meisten haben wir schon kennengelernt und uns vernetzt."

"Wir sind noch im Lernprozess"

Und obwohl sie durch die Digitalität nicht standortgebunden sind, bevorzugen die drei Aufträge aus der Region. "Man kann mit den Kunden auch über Skype oder Handy kommunizieren, aber wir finden den persönlichen Kontakt besser", erklärt Franke. Und große Unternehmen gebe es hier in der Gegend auch.

Um potenzielle Kunden auf "Gympie Gympie" aufmerksam zu machen, war und ist viel Klinkenputzen angesagt. "Jeder von uns hat im Studium schon gearbeitet und von da Kunden mitgebracht", sagt Martschinke. "Wir haben uns aber auch hingesetzt und Agenturen angerufen." Die Freunde haben zudem eine Broschüre entworfen, die das Büro vorstellt, und diese an regionale Unternehmen geschickt. Sie sind in den sozialen Medien aktiv und werben auf der Design-Website "Behance" für ihre Dienstleistungen.

"Wir sind noch im Lernprozess, denn im Studium sind wir nicht besonders gut auf die Selbstständigkeit vorbereitet worden", sagt Lock. Wie man eine Rechnung schreibt oder wie man mit Kunden redet, haben sie sich selbst beigebracht.

Große Investitionen mussten die jungen Gründer nicht tätigen: Die PCs waren aus der Studienzeit vorhanden, das Büro übernahmen sie frisch renoviert. Und auch die Eltern stehen hinter ihnen. Dennoch arbeiten die Männer nebenbei noch in Teilzeit - Franke bei einer Agentur für Industriedesign, Lock, der auch Maschinenbauingenieur ist, bei einem großen Dienstleister. "Gympie Gympie wächst so langsamer, aber wir haben auch weniger Existenzängste."

Gympie Gympie, Waldluststraße 44, Nürnberg; Tel. 09 11/25 33 18 44; www.gympiegympie.de

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