Handlicher Begleiter in stattlicher Auflage

29.1.2014, 00:00 Uhr
Handlicher Begleiter in stattlicher Auflage

© Heilig-Achneck

Herr Nestmeyer, was war der Einstieg?

Nestmeyer: Na, ein Buch über meine Heimatstadt. Bis heute sind mehr als 50000 Exemplare verkauft worden — das freut mich natürlich sehr. Gerade ist die 9. Auflage erschienen.

Wie kamen Sie dazu?

Nestmeyer: Ich bin Historiker und habe mich viel mit der Geschichte der Stadt und Frankens beschäftigt. Außerdem war ich beim Verein Geschichte für Alle aktiv, auch als Stadtführer. Das brachte mich auf die Idee zu einer kompakten Veröffentlichung über Nürnberg. Auf der Frankfurter Buchmesse habe ich dann den Erlanger Verleger Michael Müller angesprochen. Ein paar Probekapitel haben ihn überzeugt, mir grünes Licht zu geben.

Lässt der gute Absatz Rückschlüsse zu auf das touristische Interesse an Nürnberg?

Nestmeyer: Sicher, aber nur teilweise. Denn es gibt ja nur eine deutsche Ausgabe. Eine Übersetzung, etwa ins Englische, wäre sehr aufwendig. Außerdem greifen durchaus auch Einheimische zu dem Buch – und vor allem Menschen, die neu hierher ziehen, um sich mit ihrer neuen Heimatstadt vertraut zu machen.

Was macht – nach Ihrer Beschäftigung mit der Stadt – deren besonderen Reiz aus? Was macht Nürnberg, unabhängig von Messen und Kongressen, reizvoll für Touristen?

Nestmeyer: Sicher nicht allein die Burg oder das Germanische Nationalmuseum. Da ist noch mehr: Nur bei ganz wenigen Städten dieser Größe ist bis heute der mittelalterliche Mauerring erhalten, und trotz der Zerstörung ist der historische Charakter der Altstadt noch zu spüren. Dazu kommt die Verknüpfung mit der jüngeren, wenn auch schmerzhaften deutschen Geschichte: Wie kaum eine zweite Stadt bietet Nürnberg die Möglichkeit, sich mit der NS-Zeit auseinanderzusetzen. Als die erste Auflage meines Nürnberg-Buchs erschien, gab es weder das Dokuzentrum noch das Memorium.

Sie präsentieren in Ihrem Nürnberg-Führer aber nicht nur die Altstadt, sondern entführen die Leser auch ins Knoblauchsland, durch die Südstadt und nach Gostenhof.

Nestmeyer: Das hat natürlich Methode. Denn nur durch die Altstadt zu streifen, reicht eben nicht aus. Außerdem soll und muss sich mein Nürnberg-Führer ja auch von anderen Publikationen abheben. Und schließlich geht es nicht allein um Sehenswürdigkeiten, sondern auch Lokale und Einkaufstipps.

Nicht einmal das Volksbad bleibt ausgespart, obwohl es seit fast 20 Jahren dicht ist. Aber das Thema ist gerade wieder präsent.

Nestmeyer: Es gehört einfach, wie das Planetarium, das Eisenbahndenkmal oder der Justizpalast zu den entscheidenden Stationen einer Tour durch Gostenhof. Und ich finde es schwer nachvollziehbar, dass der Stadtrat den Wert dieser Jugendstilperle vielleicht nicht recht erkannt hat – viele Jugendstilbäder dieser Art gibt es ja leider nicht mehr. Aber mir ist schon klar, dass sich ein finanzkräftige Investor finden müsste...

Was halten Sie von der anderen aktuellen Debatte – der möglichen Wiederausmalung des Historischen Rathaussaals?

Nestmeyer: Ich verspreche mir wenig davon, jedenfalls kann ich mir nur schwer vorstellen, dass das für den Tourismus eine Bedeutung hätte.

Was fehlt, um Nürnberg noch attraktiver oder interessanter zu machen?

Nestmeyer: Da lässt sich sicher länger drüber reden. Spontan fällt mir ein, dass es in Nürnberg kurioserweise kaum gehobene Privatunterkünfte gibt, wie etwa die „chambres d‘hôte“ in Frankreich. Ich habe da selbst schon tolle Quartiere erlebt, zum Beispiel mitten in Avignon. Auch in Nürnberg würden manche Gäste bestimmt gerne in einem historischen Fachwerkhaus übernachten – und sich das etwas kosten lassen.

Verraten Sie im Buch Ihre Lieblingslokale – oder behalten Sie die lieber für sich, damit sie nicht überlaufen werden?

Nestmeyer: Von solchen vermeintlichen Geheimnissen halte ich wenig. Das Problem ist eher die relativ hohe Fluktuation. Von einer Auflage zur nächsten sind gerade im Hotel- und Gastgewerbe relativ viele Änderungen zu verarbeiten. Für die nötigen Aktualisierungen bin ich laufend unterwegs.

Sie haben längst eine ganze Reihe von weiteren Reiseführern vorgelegt, so für Paris, London und die Provence. Das klingt nach Traumjob.

Nestmeyer: Es hat sich so entwickelt – und es stimmt, ich fahre immer wieder gerne hin. Aber die reine Erholung ist das nicht. Ich sitze meistens allein beim Essen und bin den Abend über mit Schreiben beschäftigt. Dazu kommen täglich viele Kilometer hinterm Steuer – ich komme auch immer wieder gerne nach Hause.
 

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