Handys kommen in die Box

10.12.2014, 21:21 Uhr
Handys kommen in die Box

© Foto: Stefan Hippel

Ob sie ein Handy haben? Diese Frage finden die Sechstklässler der Adalbert-Stifter-Mittelschule fast schon komisch. Klar haben sie ein Mobiltelefon, meistens sogar ein Smartphone. Und weil es auch gerne mal ein neues Exemplar sein darf, füllen sich daheim die Schubladen mit den Altgeräten der Familienmitglieder. „Wir haben neun davon“, verrät Leonie, die künftig achtsamer mit den ausrangierten Telefonen umgehen will. Was sie damit tun wird? „Recyclen“, sagt die Elfjährige kurz und bündig.

Drei Tage lang hat die Schülerin mit ihren Klassenkameraden die Produktion von Mobiltelefonen unter die Lupe genommen und dabei zum ersten Mal so richtig über all den Komfort nachgedacht, der für sie und ihre Freunde zum Alltag gehört. Die Ergebnisse präsentieren die Schüler jetzt auf Plakaten und in kleinen Rollenspielen. Welche Rohstoffe werden in den Handys verarbeitet? Wofür braucht man sie eigentlich? Und wie sieht so ein Mobiltelefon von innen aus? Birgit Paulsen und ihre Kollegin Cordula Jeschor von der Umweltstation Nürnberg haben all diese Fragen mit den Schülern bearbeitet. Eine zweite Gruppe befasste sich mit dem Thema Kleidung. „Muss es immer das Neueste und Beste sein? Und was brauchen wir wirklich?“ Wenn die Schüler sich mit solchen Fragen weiterbeschäftigen, habe sie schon viel erreicht, sagt Paulsen, die das Projekt an zwei weiteren Mittelschulen und an zwei Gymnasien angeboten hat.

Die beiden Themenkomplexe haben die Pädagoginnen ausgewählt, weil sowohl Kleidung als auch Handys im Ausland häufig unter schlechten Bedingungen produziert werden — mit erheblichen Belastungen für die Umwelt. Und weil sie umgekehrt aber für die Jugendlichen hierzulande wichtige Statussymbole sind.

Problem Spielsucht

Dass das an den Schulen oft zum Problem wird, bestätigt Christine Arnold, Lehrerin an der Adalbert-Stifter-Schule. Die Ausgrenzung all jener, die da nicht mithalten können, sei oft heftig, sagt die 39-Jährige. Im Schulhaus sind Handys zwar verboten, dennoch haben die Schüler eine Klassengruppe gegründet, die sich mit Hilfe des Smartphones über den kostenlosen Nachrichtendienst WhatsApp austauscht. Doch von den 26 Kindern können sich nicht alle beteiligen. Weil in manchen Familien das Geld knapp sei, habe die Schule sogar eine Kleiderkammer eingerichtet, erzählt Arnold.

Andere wiederum seien derart auf die elektronischen Geräte fixiert, dass sie in eine Art Spielsucht abzurutschen drohen. „Projekte wie dieses sind deshalb ganz wichtig“, sagt die Klassenlehrerin.

Finanziert wurde das Nachhaltigkeits-Projekt vom Bayerischen Umweltministerium. Ob sie „Smart“ auch im kommenden Jahr wieder anbieten können, wissen die Initiatorinnen derzeit noch nicht. Christine Arnold will die Themen auf jeden Fall auch weiter im Unterricht aufgreifen. Und auch Paulsen hofft auf eine Fortsetzung der Arbeit. „Die Kinder tragen die Ergebnisse in die Familien hinein“, sagt sie. „Wir setzen da an der Lebenswirklichkeit der Heranwachsenden an“, ergänzt Bernhard Jehle, Leiter des Instituts für Pädagogik und Schulpsychologie, das in Kooperation mit dem Umweltreferat Träger der Umweltstation ist.

Und ein paar Veränderungen sind bereits sichtbar. In einigen Klassenzimmern stehen jetzt selbst gebastelte Handy-Sammelboxen. Oskars Telefon steckt in einer Hülle mit dem Emblem des 1. FCN, die er aus einem alten Pulli genäht hat. Und Vanessa zeigt stolz, was aus ihrem Lieblings-Shirt geworden ist: eine schöne Tasche.

Die Umweltstation am Institut für Pädagogik und Schulpsychologie, Fürther Straße 80 a, 90429 Nürnberg, nimmt bis 15. Januar 2015 alte Handys entgegen.

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