Heftiger Protest gegen Freileitung

16.11.2012, 08:14 Uhr
Heftiger Protest gegen Freileitung

© Michael Matejka

Die 110–Kilovolt-Leitung von der Saarbrückener Straße zum Hafen würde heute nicht mehr als Freileitung genehmigt werden, davon ist Albrecht Kippes, Vorsitzender des Bürgervereins Siedlungen Süd, überzeugt. Zurzeit sei nämlich auf Bundes- und Landesebene ein Gesetz in Vorbereitung, das den Bau von Erdkabelleitungen in der Nähe von Wohngebieten vorschreibt. In Niedersachsen etwa sei ein Gesetz mit entsprechendem Inhalt schon seit 2010 in Kraft.

Auch im aktuellen Energiewirtschaftsgesetz stehe geschrieben, dass Hochspannungsleitungen als Erdkabel auszuführen sind, sofern die Kosten die einer Freileitung nicht um mehr als den Faktor 2,75 überschreiten. Dies sei offenbar nicht geprüft worden.

„Die Freileitung jetzt zu bauen, wäre unverantwortlich. Wir fordern die Stadt Nürnberg und die Regierung von Mittelfranken auf, die Genehmigung zu widerrufen und für die Trasse ein Erdkabel vorzuschreiben“, sagt Kippes. Notfalls wolle der Bürgerverein prüfen, ob sich juristische Mittel einsetzen lassen, um Stadt und Regierung zum Umdenken zu bewegen.

N-Ergie fehlte

Letzte Woche wurde auf der Mitgliederversammlung des Bürgervereins heftig über das Vorhaben der N-Ergie diskutiert. Ein Vertreter des städtischen Stromversorgers fehlte allerdings. Ullrich Meyer, Leiter der Netzentwicklung Strom bei der N-Ergie, hatte sich wegen Krankheit entschuldigt. „Wir baten Herrn Meyers Stellvertreter für seinen Chef einzuspringen, doch der fühlte sich in dem Thema nicht fit genug“, gab Kippes zu Protokoll.

Max Gruber vom Bürgerverein schilderte, dass ein 36 Meter hoher Strommast „die Gegend verunstalten“ würde. Für den Bau der Starkstromleitung habe man bereits eine 30 Meter breite Schneise in die Landschaft geschlagen, die zeitweise als Zwischenlager für Bauschutt verwendet wurde. Die N-Ergie habe so Fakten geschaffen, ohne die Lärmbelastung durch die A73 auf die Anwohner zu berücksichtigen. Das neue Umspannwerk an der Eibacher Schleuse ist so gut wie fertiggestellt, das dortige Biotop, in dem Kreuzottern, Blindschleichen und andere gefährdete Tierarten lebten, sei empfindlich gestört.

Im Frühjahr ans Netz

Spätestens im Frühjahr 2013 soll die Freileitung ans Netz gehen und die Wohngebiete sowie das Hafenindustriegebiet mit Energie versorgen. Für die Erweiterung des Stromnetzes haben die Siedlungsbewohner zwar durchaus Verständnis, doch hätte die Trasse durch das Wohngebiet unterirdisch als Erdkabelleitung gebaut werden können. „Die Kosten hätten die der Freileitung nicht überstiegen“, behauptet Kippes und verweist auf eine Studie des Energie-Experten Heinrich Brakelmann von der Universität Duisburg-Essen.

SPD-Stadtrat Gerald Raschke gab im Laufe der Diskussion sogar freimütig zu, dass die Freileitung heute nicht mehr genehmigt würde. Er merkte aber an, dass während der ersten Planungsphase, die 2006 begann, keinerlei Einwände seitens der Bürger oder Siedlervereine erfolgt seien. Alle Aspekte vom Naturschutz über die Gesundheitsgefährdung bis zu den Kosten seien berücksichtigt und auch die Erdkabel-Variante sei geprüft worden. Daher sei an der Planung jetzt nichts mehr zu ändern. „Das Vorhaben ist rechtskräftig und wird so durchgeführt. Genehmigt ist genehmigt!“, wetterte Raschke in Basta-Manier.

Er musste sich daraufhin von Robert Friedrich, Revisor des Bürgervereins, wie auch anderen Anwesenden die Frage gefallen lassen, ob er als Stadtrat und Mitglied des N-Ergie-Aufsichtsrats nicht einem gewissen Interessenskonflikt unterliege. „Diese unterschwelligen Anschuldigungen weise ich als Frechheit zurück“, empörte sich Raschke. „Herr Meyer von der N-Ergie hat zugegeben, dass eine Erdkabelleitung niemals im Gespräch war“, widersprach Uwe Thielemann vom Bürgerverein Raschkes Darstellung.

„Nicht nur dem Bürgerverein stellt es sich so dar, als hätten die Verantwortlichen in der Politik das Projekt vor der Gesetzesnovelle noch schnell durchgewunken“, meint Albrecht Kippes, der sich freut, dass wenigstens die ÖDP-Stadtratsfraktion eine Eingabe für einen Baustopp der Stromtrasse in die Wege geleitet hat.

 

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