„Ich mache weiter, solange ich mich ärgern kann“

26.8.2005, 00:00 Uhr
„Ich mache weiter, solange ich mich ärgern kann“

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„Herr Rüsing, sind Sie eigentlich der älteste Trainer in der Kreisklasse?“ Die etwas uncharmante Frage zu Beginn des Gesprächs scheint den 59-Jährigen selbst zu interessieren. Also wird die Lesebrille gezückt und die zu Saisonbeginn obligatorische NZ-Übersicht mit allen Vereinen, Trainern, Zu- und Abgängen aufmerksam studiert.

„Ich denke eigentlich nicht, dass noch einer älter ist“, meint Manfred Rüsing, Trainer des TSV Altenfurt in der Fußball-Kreisklasse Ost. „In diesem Alter fangen in der Regel die Gebrechen ja schon an.“ Als Rüsing die Liste durchgeht, kann er einen großen Teil der Kollegen ausschließen; die meisten kennt er, manch einer - wie Frank Grimm, jetzt Coach beim ASV Buchenbühl - hat sogar mal bei ihm gespielt. Die Spielertrainer sind ohnehin alle jünger.

Aber dann findet sich doch noch einer: „Der Günter, der ist auf jeden Fall älter als ich“, meint Rüsing. Günter Rubenbauer, Coach des SV Laufamholz, hat als 64-Jähriger noch einige Jährchen mehr auf dem Buckel.

Dennoch: Rüsing, B-Schein-Inhaber und seit 27 Jahren im Trainergeschäft, gehört zu den absoluten Routiniers der Branche. 2002 dachte er mal ans Aufhören, legte ein Jahr Pause ein. Doch als der TSV Altenfurt rief, kehrte der Ex-Profi im Sommer 2003 auf die Fußball-Bühne zurück. „Lange haben wir nicht gebraucht, um ihn zu überreden“, erinnert sich Stefan Zagel, Spielleiter beim ehemaligen Landesligisten. Schon zum dritten Mal coacht Rüsing den TSV; mit der Zeit sind enge Bindungen entstanden.

Mit Rüsing läuft es in Altenfurt wieder besser, auch wenn noch kein Aufstieg bejubelt werden durfte. Nach zwei Abstiegen hintereinander aus Bezirks- (2002) und Kreisliga (2003) hat sich der Traditionsklub aber immerhin wieder stabilisiert und landete zuletzt auf den Rängen vier und drei. In der Spielzeit 2004/05 wiesen die Altenfurter zudem die wenigsten Gegentreffer in der Liga auf - da machte es sich bemerkbar, dass ihr Übungsleiter einst als kompromissloser Abwehrspieler galt.

Begonnen hat Rüsings Karriere bei einem kleinen Verein in seiner Heimatstadt Dortmund. „Der Klub hieß SV Roland 98“, erinnert sich der Ex-Profi. Über den Lüner SV kam er 1970 zum VfL Bochum, mit dem er in seinem ersten Jahr in die Bundesliga aufstieg und danach zweimal relativ locker den Klassenerhalt schaffte. 36 Budesliga-Ensätze absolvierte Rüsing bis 1973; es wären wohl ein paar mehr geworden, hätten nicht zwei Achillessehnenoperation den Manndecker gestoppt.

Dann folgte der Wechsel zum damals zweitklassigen 1. FC Nürnberg. „Franz Brungs war Club-Manager und hat den Kontakt hergestellt“, sagt Rüsing, der genauso wie Dieter Nüssing, mit dem er heute noch befreundet ist, zu der Club-Generation gehörte, die regelmäßig um den Aufstieg mitspielte und letztlich doch immer knapp scheiterte. „In der Aufstiegsrunde 1974 hat uns ein Tor gefehlt“, erinnert sich Rüsing. „Und 1976 waren wir nochmal ganz nahe dran.“ Nach der Einführung der zweigleisigen Zweiten Bundesliga, die die Regionalligen ab 1974/75 als Bundesliga-Unterbau ablöste, spielten die Zweiten aus Süd und Nord einen dritten Aufsteiger aus: 1976 unterlag der Club in diesen Entscheidungsspielen Borussia Dortmund mit 0:1 und 2:3.

Aber immerhin gelang Rüsing sein einziger Treffer im Profifußball in seiner Nürnberger Zeit, auch wenn er sich daran nur noch vage erinnern kann: „Ich glaube, es war ein Elfmeter gegen Adi Ruff.“ Ein Blick in die Annalen bestätigt Rüsings Annahme: Im Februar 1975 traf er per Strafstoß zum 1:1-Endstand gegen die SpVgg Bayreuth.

1977 war die Uhr des Defensivspielers am Valznerweiher nach 113 Punktspielen für den FCN abgelaufen. „Damals ist ja fast jeder weggegangen.“ Der Club hatte mal wieder finanzielle Sorgen, man verjüngte das Team radikal, verlängerte auslaufende Verträge nicht mehr.

Rüsing, inzwischen 31, ließ seine Laufbahn beim BSC Erlangen in der Bayernliga ausklingen. Eine Rückkehr nach Westfalen kam für den Dortmunder nicht mehr in Frage: „Ich mag die fränkische Mentalität. Außerdem hatte ich hier Freunde gefunden.“ Seit dem Ende seiner Karriere lebt er in Eckental.

Seine Trainerlaufbahn begann beim DTV Diespeck (1978-81), führte ihn über Altenfurt (1981-86), das 1981 aus der Landes- in die Bezirksliga abgestiegen war, zu den A-Junioren des Clubs (1986/87), nach Katzwang (1988-90) und wieder zurück zu Altenfurt (1990-96). Immer wieder schnürte er dabei als Libero auch selbst die Schuhe. „Spielertrainer war ich eigentlich nur in Diespeck. Aber ich habe später oft ausgeholfen, bis ich dann schon auf die 50 zuging.“

Beim Club-Nachwuchs konnte er freilich nicht mitspielen, aber dafür feierte er mit den Youngsters 1987 den Gewinn des Jugenkicker-Pokals. „Im Endspiel haben wir Mönchengladbach mit Stefan Effenberg 2:1 geschlagen.“ Für den FCN kickten unter anderen Thomas Ziemer und Peter Romeis.

Ein Duell mit dem alten Kumpel

Auch die Saison 1990/91 hat Rüsing in bester Erinnerung, als er sich als Altenfurter Coach mit seinem alten Kumpel Nüssing, der den BSC Erlangen trainierte, in der 1988 eingeführten Bezirksoberliga ein spannendes Duell um die Meisterschaft lieferte. Die favorisierten Erlanger haben sich letztlich durchgesetzt. „Aber wir haben es lange offen gehalten“, sagt Rüsing schmunzelnd.

Anschließend ging es für die Altenfurter Jahr für Jahr nur um den Klassenverbleib. „Es wurde immer enger, bis wir es dann irgendwann nicht mehr geschafft haben.“ Nach dem BOL-Abstieg 1996 nahm Rüsing seinen Hut und kehrte nach einer Station in Gräfenberg (1996/97) in der Endphase der Saison 1997/98 als „Feuerwehrmann“ zu den Club-A-Junioren zurück. Obwohl er zwei von vier Spielen gewann, konnte er den Abstieg aus der Regionalliga, damals die höchste Spielklasse, nicht mehr abwenden. Als Assistent von Alois Reinhardt war er aber beim Wiederaufstieg zwei Jahre später mit von der Partie.

Auch nach fast drei Jahrzehnten ist Rüsing immer noch gerne Trainer. „Ich habe auch nicht den Eindruck, dass die heutige Generation schwieriger ist als die in den siebziger Jahren.“ Der Spaß am Spiel, so Rüsing, sei doch immer der gleiche geblieben. Ein Ende seiner Laufbahn ist daher auch noch nicht in Sicht, wie der Coach bekundet: „Solange ich mich über meine Fehler und die meiner Spieler noch ärgern kann, mache ich weiter.“

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