Im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Menschenrechtszentrums

28.8.2007, 00:00 Uhr
Im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Menschenrechtszentrums

© Hippel

Herr Krennerich, Sie beschäftigen sich schon beruflich mit Menschenrechten - und dann engagieren sie sich auch noch in ihrer Freizeit dafür. Ist das so aufregend?

Krennerich: Es ist eines der zentralen Themen - es geht um die elementaren Lebensbedingungen nicht nur in fernen Ländern, sondern auch bei uns. Das sollte es allemal wert sein, sich dafür einzusetzen. Und ich hatte von dem Nürnberger Zentrum schon gehört, als ich noch in Hamburg und Heidelberg tätig war, wo ich mich ebenfalls bereits intensiver mit Lateinamerika beschäftigt habe.

Läuft das Menschenrechtszentrum so, wie Sie es sich vorgestellt hatten?

Krennerich: Ich bin jetzt seit 2003 dabei. Ehe ich hierhergekommen bin, hatte ich es mir, ehrlich gesagt, viel größer vorgestellt. Ich war schon überrascht zu sehen, dass der größte Teil der Arbeit von Ehrenamtlichen geleistet wird. Aber gerade als kleine Organisation hat das Zentrum seinen Charme. Und umso erstaunlicher finde ich Ausstrahlung und Leistung des Zentrums.

Aber in die Stadt hinein wirkt die Leuchtkraft eher bescheiden. Gilt der Prophet im eigenen Land wieder mal besonders wenig?

Krennerich: Das kann ich nicht bestätigen. Wir sind am Friedenslauf und am Menschenrechts-Filmfestival beteiligt, ebenso an der Initiative für gerechte Spielzeugproduktion «Fair Toys» und arbeiten mit dem Caritas-Pirckheimer-Haus zusammen. Außerdem haben wir gerade unseren Materialkoffer zur Menschenrechtsbildung - er ist übrigens für die Erwachsenenbildung genauso geeignet wie für die Arbeit in Schulen - neu zusammengestellt. Aber wir könnten sicher noch nachlegen.

Und das überregionale Echo?

Krennerich: Ist wirklich beachtlich. Unsere Internetseite hat wöchentlich bis zu 10 000 Besucher - ziemlich viel für ein Spezialangebot. Unsere Ausstellung zum Internationalen Strafgerichtshof, die wir für das Auswärtige Amt erstellt haben, geht gerade um die Welt. Und wir bekommen stapelweise Anfragen aus dem In- und Ausland von jungen Leuten, die sich für ein Praktikum bei uns interessieren.

Wo setzen Sie neue oder andere Akzente?

Krennerich: Mir ist vor allem eine Erweiterung wichtig: Die so genannten sozialen Menschenrechte verdienen mehr Beachtung, also zum Beispiel das Recht auf Wohnung, Bildung und auf Arbeit. Wo absolute Armut und Unterernährung herrschen, ist stets auch die Freiheit bedroht.

Und hier zu Lande?

Krennerich: . . . spielt das Thema auch eine Rolle. Erst kürzlich hat ja ein UN-Sonderbeauftragter darauf hingewiesen, dass Deutschland das Problem der sozialen Ausgrenzung im Bildungssystem ernster nehmen muss. Da gab es einen Aufschrei. Aber wenn die westlichen Regierungen weltweit auf Menschenrechte pochen, muss auch umgekehrt ein kritischer Blick erlaubt sein.

Aber ein Recht auf Wohnung oder Arbeit gibt es ja nicht einmal in den Staaten, die sich gerne als Vorbilder und demokratische Lehrmeister präsentieren.

Krennerich: Leider ist es erschreckend, was manchmal selbst von Politikern, die in den zuständigen Ausschüssen sitzen und also mit der Materie vertraut sein sollten, dazu zu hören ist. Die sozialen Menschenrechte stehen gleichrangig neben allen anderen und sind eben kein «Luxusgut», sondern fundamental für die Menschenwürde.

Sie sind selbst Familienvater. Wäre es nicht viel wichtiger, auf Kinderrechte zu pochen?

Krennerich: Diesen Forderungen kann man sich ja kaum entziehen. Aber in der Praxis passiert dann wenig - es bleibt allzu schnell bei symbolischen Aktionen. Mit formalen Kinderrechten lässt sich auch das Problem nicht lösen, dass einige Eltern sich viel zu wenig um ihre Kinder kümmern oder kümmern können.

Was tun Sie zum Ausgleich für Lehre und Menschenrechtsarbeit?

Krennerich: Ich trainiere zum Beispiel eine Gruppe von Fußballjungs in einem Verein. Aber selbst in der Freizeit muss ich eine Beobachtung machen, die schon unser Thema berührt: Denn die Kinder sind alle nahe beisammen, bis die einen aufs Gymnasium, die anderen auf die Realschule gehen und die dritten auf der Hauptschule bleiben. Es ist schon krass, wie sie durch das dreigliedrige Schulsystem auseinanderdividiert werden.

Jetzt haben Sie eine neue «Zeitschrift für Menschenrechte» mitgegründet. Noch ein «Leuchtturm» des Nürnberger Zentrums?

Krennerich: Nicht ganz, die Mitherausgeber sind andernorts engagiert. Es ist zunächst eine Fachpublikation, wir wollen im Laufe der Zeit aber durchaus ein breiteres Publikum gewinnen. Denn um Menschenrechte geht es durchaus auch im Alltag. Zum Beispiel wenn in den Supermärkten billige Kleidung oder Blumen angeboten werden. Da ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass bei ihrer Herstellung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen nicht die Rede sein kann.
 

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