Im Mittelalter gab’s Bier zum Frühstück

26.4.2011, 00:00 Uhr
Im Mittelalter gab’s Bier zum Frühstück

© Hagen Gerullis

Wie schafften die Braumeister früher ihre Bierfässer in den Keller? Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder per Schacht und Flaschenzug bis zu vier Stockwerke in die Tiefe abseilen. Oder aber mit Seil und Brettern über die steilen Treppen hinabrodeln. Bierfassrodeln ist ein Riesenspaß für die Brauerkinder Agnes und Albrecht. Und dabei haben sie prompt ein Fass zerdeppert. Schade um den Gerstensaft! Doch wo sind die Kinder? Vor Angst bibbernd haben sie sich in den finsteren Gelassen verkrochen.

Im Mittelalter gab’s Bier zum Frühstück

Dies ist der Aufhänger für die Kostümführung des „Fördervereins Nürnberger Felsengänge“. Kathrin Deuerling hat sich stilecht als Braumeistersgattin drapiert, mit brauner Kutte und weißem Umhang. „Bloß die Haube habe ich jetzt nicht aufgesetzt, da fehlt mir gerade die Klammer.“ Offene Lockenpracht ist sowieso schöner. Und wenn der Braumeister durch die Gänge führt, dann trägt der natürlich eine Brauerschürze.

Wo sind die Kinder?

Also: Wo sind Agnes und Albrecht? Vier Mädchen und ein Bub samt deren Müttern sind mit Feuereifer auf der Suche. Dem Bub fällt gleich auf den ersten Metern auf, dass so mittelalterlich die Gänge nicht wirken: „War das hier mal ein Bunker?“ Was nutzt die schönste historisierende Frakturschrift, wenn der Name „Gasschleuse“ eindeutig aufs 20. Jahrhundert hinweist?

Nach einem 68 Meter langen Tunnel aus den Zeiten des 2. Weltkriegs landen wir im Agneskeller. Ein beleuchteter Stadtplan an der Wand zeigt das Kellerlabyrinth unter dem Burgberg. Wozu gibt es überhaupt Bierkeller? „Weil die Männer soviel Bier saufen“, mutmaßen die Kinder, „Apfelschorle gab es damals ja noch nicht.“

Bierbrauerin Kathrin legt noch eins drauf: „Die Leute beobachteten, dass Wassertrinken oft krank macht. Da waren Bakterien drin, aber das wussten die Menschen damals nicht. Dagegen sahen sie, dass Biertrinker gesund blieben. Und warum? Weil die Gerste ja vorher richtig gekocht wird.“

Und heute? „Was trinkt ihr denn zum Frühstück?“ – „Kakao, Milch, Saft oder Tee.“ – „Früher bekamen die Kinder einen Krug Bier zum Frühstück“, verblüfft Kathrin ihre Zuhörer. „Damals war noch nicht so viel Alkohol drin wie heute, aber man wurde schon ganz schön lustig davon. Damals gab es noch keine Hefekulturen, darum hatte man eben Brotteig hineingegeben.“

Nun gelangen wir zum Aufzugsschacht und zu der steilen Treppe, an der das Bierfass zerschellt ist. Die Trümmer sind schon weg, doch von Agnes und Albrecht noch immer keine Spur. Noch ein Stockwerk tiefer, dann befinden wir uns etwa 18 Meter unter Tage. Abseits der Hauptgänge gibt es keine Schummerlichter, da helfen nur noch Taschenlampen weiter. Bumms, Sackgasse. In einem Gelass lagern Klappstühle, die warten im Sommer auf ein Publikum fürs Kellerkino oder Dichterlesungen.

Das System der Schächte

Da, von der Decke ragt ein Rohr. Wer sich darunterstellt und den Kopf ganz steil in den Nacken legt, glaubt, in einen Brunnenschacht zu blicken, auch wenn es in die Höhe geht. Das ist ein Luftschacht.

„Jedes Brauerhaus hatte früher zwei Luftschächte, einen auf der Nord- und einen auf der Südseite“, erklärt Kathrin. „Wenn im Sommer die Sonne auf den Südschacht schien, erwärmte sich dort die Luft. Und warme Luft zieht nach oben. Die kühle Luft auf der Nordseite sackte in den Keller herunter, und auf der Südseite zog die Wärme sie empor. So funktioniert die Luftzirkulation.“ Raffiniert, die Brauer des Mittelalters. Sie waren auch so findig, Rinnen in den Boden zu meißeln und Absetzbecken anzulegen, darin der Sand des Sickerwassers liegenblieb. Solche Absetzbecken sind immer noch im Betrieb, und das Wasser kann man trinken. „Auch wenn es ein bisschen steinig schmeckt.“

Zehn Grad ist es hier unten kühl, verkündet ein Thermometer. Es geht noch kühler, wie etwa im ehemaligen Eiskeller. An der Wand hängen Säge, Zange und Stocherhaken. Wie die Altvorderen die Eisschollen loslösten, das zeigt ein Kurzfilm im Kellerkino. Außerdem ist Bier nicht alles hier unten. Bis in die Siebziger Jahre lagerten hier Gurken und Sauerkraut.

Ja, und wo bleiben denn nun Agnes und Albrecht? Kurz vor Schluss finden die Kinder einen Brief in Krickelschrift: „Liebe Mama, lieber Papa, ich weiß, dass wir Mist gebaut haben mit den Fässern. Wir schämen uns und wollen weg nach Amerika. Dort machen wir das große Geld und kommen zurück als reiche Leute!“ Doch Kinder des 21. Jahrhunderts lassen sich so leicht nicht hinters Licht führen: „Das ist ja Druckschrift!“

In den Osterferien täglich bis zum 29. April um 14 Uhr. Treffpunkt Altstadthof, Bergstr. 19

 

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