Im Notfall will die Stadt Nürnberg zum Bauen zwingen

24.7.2019, 07:11 Uhr
Im Notfall will die Stadt Nürnberg zum Bauen zwingen

© Archivfoto: Michael Matejka

Das Baugebot ist ein umstrittenes Instrument. Nach Paragraf 176 Baugesetzbuch kann eine Gemeinde einen Eigentümer verpflichten, innerhalb einer angemessenen Frist sein Grundstück zu bebauen – allerdings nur, wenn das finanziell tragbar ist und auch nur nach vorheriger Beratung.

Es geht um Grundstücke, die seit Jahrzehnten ungenutzt sind. Aus den unterschiedlichsten Gründen, wie das Baureferat in seiner Vorlage für die Stadträte in der Sitzung des Stadtplanungsausschusses schreibt: "Sie reichen vom Aufsparen für Kinder und Enkelkinder bis hin zur Bodenspekulation."

"Wir wollen auf die Suche gehen"

Bislang hat die Stadt Nürnberg nicht zu dem Mittel gegriffen. Und sie will es auch in Zukunft mit Bedacht einsetzen, wie Baureferent Ulrich den Politikern im Stadtplanungsausschuss verspricht. "Wir haben seit Jahren ein Baulückenprogramm", sagt er. "Aber es gibt eben noch andere Werkzeuge wie das Baugebot für konkrete einzelne Flächen." 20.000 Wohnungen könnten entstehen, wenn Lücken nicht leer blieben. "Wir wollen das Instrument Baugebot ausprobieren." Das bedeute aber keinen Freibrief für die Stadt. "Wir werden über jeden Fall einzeln entscheiden. Wir wollen auf die Suche gehen und brauchen dazu die Rückendeckung des Stadtrats."

Joachim Thiel, der Stadtplanungsexperte der CSU-Fraktion, signalisiert der Verwaltung die volle Unterstützung seiner Partei. "Die Rückendeckung geben wir gerne." Das Baugebot sei lange als Folterwerkzeug in Verruf gewesen, seine Durchsetzung gelte als sehr aufwendig. "Aber in Einzelfällen ist es das richtige Instrument." Es werde niemand über den Tisch gezogen und enteignet, betont Thiel. "Das Baugebot dient dem Allgemeinwohl. Wir unterstützen Sie dabei, das heiße Eisen anzufassen. In einer Zeit wie heute können wir nicht dabei zusehen, wie mit Bauland spekuliert wird."

Gerald Raschke, planungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, schließt sich seinem Vorredner an. "Vor Jahren hieß es, das Baugebot sei des Teufels. Doch wir müssen auch an dieser Stellschraube drehen." Monika Krannich-Pöhler von den Grünen spricht sich ebenfalls für die Pläne der Stadt aus. "Wir unterstützen das sehr." Und auch Hartmut Beck (Freie Wähler) betont: "Das ist der richtige Weg. Ich begrüße Sie zu ihrem Mut. Die Not zwingt uns dazu."

Baulückenprogramm hat nur mäßigen Erfolg

Im Jahr 2013 hat die Stadt Nürnberg ihr Baulückenprogramm gestartet. Eigentümer unbebauter Grundstücke werden angeschrieben und über Bebauungsmöglichkeiten informiert. Allerdings ist die Erfolgsquote nicht sehr hoch. Baureferent Ulrich freut sich über die Zustimmung aus dem Stadtrat und bekräftigt: "Es ist der Nürnberger Weg, sich vorsichtig heranzutasten." In Tübingen solle das Baugebot flächendeckend umgesetzt werden. "Wir sind zurückhaltender und prüfen erst einmal, welche Grundstücke wirklich geeignet sind. Und wir werden niemandem drohen." Was die Verwaltung hingegen vorhabe: "Wir wollen mit den Leuten reden, die noch unentschlossen sind. Unser Ziel ist, Wohnraum zu schaffen. Wir werden niemandem etwas unter Wert wegnehmen. Wir werden ausgewogen und rechtskonform vorgehen. Das Baugebot ist kein Folterinstrument."

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