Interesse der Menschen an Nazi-Bauten ist riesig

24.1.2017, 10:31 Uhr
Interesse der Menschen an Nazi-Bauten ist riesig

© Fotos: Eduard Weigert

Nach jahrelangen Diskussionen steht die Summe seit einigen Monaten fest: Rund 73 Millionen Euro kostet der Erhalt der Nazi-Bauten auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände. Viel Geld, das allerdings gut investiert sein dürfte, wie die Besucherbefragung vom vergangenen Sommer zeigt: Denn das Interesse an den etwa 80 Jahre alten Bauwerken des NS-Architekten Albert Speer ist größer als bisher angenommen.

Im Auftrag des Kulturreferats hat der Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) die Studie durchgeführt. An drei Tagen zwischen Mai und Juli 2016 sind erstmals Besucher des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes befragt worden, die nicht an geführten Rundgängen teilnahmen, sondern das Gelände rund um den Dutzendteich individuell erkundeten.

„Wir wollten wissen: Was sind das für Menschen? Wo kommen die her? Und welche Informationen möchten sie hier bekommen?“, beschreibt Kulturreferentin Julia Lehner das Ziel der Befragung. Außerdem habe es bisher noch keine verlässlichen Besucherzahlen zum ehemaligen Reichsparteitagsgelände gegeben.

Die Befragungen fanden unter anderem im Innenhof der Kongresshalle, an der Große Straße und der Zeppelintribüne statt. 1617 Personen wurden angesprochen, 663 machten mit. „Wir haben darauf geachtet, dass im Beobachtungszeitraum keine Sport- oder Großveranstaltungen die Besucherzahlen künstlich in die Höhe treiben“, erklärt Charlotte Bühl-Gramer, die den Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte innehat und die Studie leitet.

Bemerkenswert sei, dass allein an den drei Befragungstagen Individualbesucher aus 28 nichtdeutschen Herkunftsländern kamen. „Die meisten Menschen stammten dabei aus den USA, Großbritannien und Österreich“, sagt Bühl-Gramer. 48 Prozent der Befragten gaben als Grund für ihren Besuch „historisch-politisches Interesse“ an, 39 Prozent „Erholung“. Dies zeige deutlich den „doppelten Nutzungscharakter“ des Geländes als historischer Ort und Freizeitgelände.

Interesse der Menschen an Nazi-Bauten ist riesig

Für die meisten Befragten wirkten die baulichen Überreste „eindrucksvoll“, „wie typische Nazizeit-Bauwerke“ und „größer als gedacht“. Nur 12,1 Prozent empfanden sie „viel kleiner als gedacht“. 83,5 Prozent der Teilnehmer sahen sich die Kongresshalle an, die Fundamentreste Märzfeld lockten nur 22 Prozent. Einen Besuch des Dokuzentrums ohne die Begehung des Reichsparteitagsgeländes halten 33,5 Prozent der Befragten für sinnvoll, 39,7 Prozent hingegen nicht. 71,2 Prozent gaben an, durch die Erkundung des Areals zusätzliche Erkenntnisse zu seiner Geschichte bekommen zu haben. Nur 14 Prozent der Studienteilnehmer haben über Tourismuswerbung vom Reichsparteitagsgelände erfahren. 53 Prozent hörten erstmals im Geschichtsunterricht von den Nazi-Bauten in Nürnberg, 37 Prozent kamen aus eigenem Interesse. 81 Prozent nutzen die Infotafeln.

Auch Verbesserungsvorschläge hatten die Befragten parat: 30,8 Prozent wünschen sich noch mehr Informationen – bei den jüngeren Besuchern vor allen in Form neuer Medien. 20,3 Prozent würden die Beschilderungen und Markierungen ausweiten, zwei Prozent möchten regelmäßige Bustouren und Rundgänge über das Areal.

Während der Befragung sind auch die Besucher gezählt worden: 16.797 Menschen kamen an den drei Tagen. „Diese Zahl war auch für uns eine Überraschung“, sagt die Kulturreferentin. Auf die Zeppelintribüne stiegen etwa 400 Interessierte pro Tag.

Die Ergebnisse der Studie, die noch detaillierter aufgearbeitet werden sollen, seien eine wertvolle Ausgangsbasis für die Neugestaltung des Vermittlungskonzepts auf dem Areal, ist Julia Lehner überzeugt. „Das Bedürfnis nach tiefer gehenden Informationen bestätigt unseren Weg.“ Und: „Die Menschen wollen das Gelände wirklich sehen. Die Begehung der Zeppelintribüne ist wichtig für sie.“ Nun könne man überlegen, wie noch mehr digitales Erleben in die Vermittlungsarbeit eingebaut oder ein engeres Zusammenwirken von Dokuzentrum und Gelände erreicht werden könne.

Die gesamte Studie soll im Laufe des Jahres in den „Schriften des Kulturreferats der Stadt Nürnberg“ veröffentlicht werden.

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