Irrfahrt zum eigenen Ich

14.12.2012, 00:00 Uhr
Irrfahrt zum eigenen Ich

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Held der Geschichte ist Pieter van Allen, Deutsch-Belgier, halbwegs gescheiterte Existenz und Gelegenheitsschriftsteller, weltfremd und bindungslos. In einer entseelten und entgöttlichten Gegenwart, beherrscht von der Gier nach dem Besitz und dem Konsum von Dingen, sehnt er sich nach einer Welt der Ideen. Wie eine Botin aus jener schwerelos-reinen Welt erscheint ihm eines Tages eine geheimnisvolle Fremde.

Voller Überraschungen

Die von ihm „Athene“ genannte fremde Frau wird seine Führerin und Begleiterin auf einer seltsamen, überraschungsreichen Irrfahrt zu den berühmten sieben Weltwundern der Antike. Mittels Athenes „Zaubermacht“ überwinden die beiden nicht nur eine beachtliche räumliche, sondern auch eine gewaltige zeitliche Distanz.

Pieter fühlt sich wiederholt in das zweite vorchristliche Jahrhundert versetzt. Er sieht die besagten Weltwunder, von denen heute kaum noch etwas übrig ist, in der Zeit ihrer Hochblüte.

Der Romantiker und Poet in ihm findet das anfänglich ganz toll, aber irgendwann fragt er sich doch, was seine neue göttliche Freundin eigentlich konkret von ihm will. Doch Athene verweigert hartnäckig jede Antwort auf seine diesbezüglichen Fragen. Ersatzweise verwickelt ihn die himmlisch gebildete Dame in eine endlose philosophische Diskussion über die Götter und die Welt. Dabei lenkt sie sein Interesse nach und nach auf einem überirdisch strahlenden Schatz, der sich angeblich in greifbarer Nähe befindet.

Um dieses Kleinod zu erreichen, muss Pieter allerdings eine Serie von schlimmen Prüfungen bestehen. So wird er zum Beispiel in der heutigen Türkei als vermeintlicher Kunst-Schmuggler verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Und im Verlauf einer weiteren Prüfung entgeht er nur knapp der Enthauptung in einem altorientalischen Königreich, wo man ihn fälschlicherweise für einen ausländischen Spion hält.

Elisabeth Wega präsentiert uns den tragisch entwurzelten, neurotischen Pieter als eine Mischung aus Odysseus, Parzival und Faust. Athene ist die körperliche Manifestation einer Idee, eine Mensch gewordene Göttin, aber auch Pieters Anima, das Urbild des Weiblichen und das weibliche Element in seiner Persönlichkeit. Die sieben Stationen der wundersamen Reise erweisen sich als die sieben Stufen von Pieters Läuterung, Wandlung und Reifung.

Ungewöhnlich lohnend

Obwohl sich der Leser vielleicht manchmal wünscht, Elisabeth Wega und ihr Roman-Held würden nicht gar so viel bildungsbürgerlichen Ballast mit sich herumschleppen, ist das vorliegende Buch eine ungewöhnlich lohnende Lektüre. Selten wird der lange, mühevolle Weg zum eigenen Ich derart spannend und unterhaltsam beschrieben.

Elisabeth Wega: Die Wunderreise, Begedia Verlag, 493 Seiten, 22,95 Euro.

 

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