Jugendliche und die Demokratie

19.6.2009, 00:00 Uhr
Jugendliche und die Demokratie

© Karlheinz Daut

«Politik, das ist doch was für Erwachsene.» Mit dieser Einstellung ging Christian Sekora an das Demokratieprojekt heran. Damals noch nicht volljährig, durfte der angehende Bankkaufmann nicht wählen und hatte auch sonst mit Politik nicht viel am Hut. «Mit unserem Alltag hat das, was die Parteien machen, nicht viel zu tun», sagt auch Luana Dietl. Und ihre Mitschülerin Marina Cupic (20) räumt ein, dass sie sich bei ihrer Wahlentscheidung daheim in Kroatien früher an den Eltern orientiert hat. Das hat sich gründlich geändert.

Der Demokratie auf der Spur

Seit einem Jahr sind die Jugendlichen gemeinsam mit ihrem Lehrer Peter Kührt der Demokratie auf der Spur, haben in einem Planspiel Parteien gegründet, Koalitionsverhandlungen geführt und die Befragung organisiert. Den Anstoß dazu gab eine Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung, die Erschreckendes zu Tage förderte. Jeder dritte Bundesbürger glaubt demnach nicht mehr daran, dass Demokratie Probleme löst. Jeder Fünfte hält die Demokratie als Regierungsform nicht für verteidigenswert. Und immerhin fast jeder Zweite will bei der Bundestagswahl im Herbst vielleicht zu Hause bleiben.

Ergebnisse, die quer durch alle Altersschichten gelten, wie Serge Embacher von der Friedrich-Ebert-Stiftung betont. Immerhin: Das ausgeprägte Desinteresse der Jugendlichen an Politik, von dem in der Öffentlichkeit immer mal wieder die Rede ist, konnte laut Embacher «überhaupt nicht» bestätigt werden.

Doch die angehenden Bankkaufleute aus Nürnberg wollten es genauer wissen. Sie befragten über 600 Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren. Und auch wenn die Schüler mit ihren bescheidenen Mitteln keine statistisch repräsentative Umfrage auf die Beine stellen konnten, so erreichten sie doch Teilnehmer aller Schularten und gehen davon aus, dass die Ergebnisse durchaus Rückschlüsse auf einen großen Teil der Altersgruppe erlauben.

«Demokratie ist wichtig»

Heraus kam zunächst einmal Beruhigendes: Immerhin zwei Drittel der Befragten halten es demnach für wichtig, in einer Demokratie zu leben, und zwar unabhängig vom Geschlecht oder Schulabschluss. Und rund 70 Prozent denken auch, dass die Demokratie eine gute Staatsform ist und dass andere Regierungsformen keine Alternative wären. Die große Mehrheit fühlt sich ausreichend über Demokratie informiert, hat ihr Wissen aus der Schule (44 Prozent), den Medien oder der Familie. Wie viel von dieser Selbsteinschätzung zu halten ist, prüften die Schüler mit einer weiteren Frage ab – und kamen zu ihrem wohl erschreckendsten Ergebnis: Jeder Fünfte hielt demnach die DDR für eine Demokratie, unter den Gymnasiasten liegt dieser Anteil sogar noch höher. Und immerhin 9,2 Prozent glauben, in einer Diktatur bessere persönliche Chancen zu haben.

Nur gut die Hälfte hält Parlamente für so wichtig, dass man sie «auf keinen Fall» abschaffen sollte, die anderen sind sich da nicht ganz so sicher. Und jeder Fünfte wünscht sich mehr extreme Parteien im Parlament, nur die Hälfte lehnt dies ab. 60 Prozent würden den Bundeskanzler gern direkt wählen, 82 Prozent möchten über umstrittene Gesetze selbst abstimmen. Das Gefühl, mit ihrer Stimme am Wahltag etwas bewirken zu können, haben dagegen nur 18 Prozent. Und dass sie nur zwischen «schlecht» und «noch schlechter» entscheiden können, glauben 60 Prozent.

Discobesuche und Alkohol erst ab 21 Jahren? Nur sieben Prozent würden sich gegen eine sie so direkt betreffende Gesetzesänderung auf politischem Wege wehren. «Ich würde versuchen, meinen Ausweis zu fälschen», antworteten dagegen 20 Prozent.

40 Prozent haben kein oder wenig Interesse an Politik, weil sie sich «nicht damit auskennen», wie jeder Dritte antwortete. Ein Ergebnis, das in den Augen der Berufsschüler durchaus auch Chancen bietet. Wie sinnvoll politische Bildung ist, haben sie selbst erlebt. Er habe viel dazugelernt, sagt Sekora. Bislang sei das Thema für sie immer weit weg gewesen, ergänzen Nadine Graml und Sabina Dingfelder. «Jetzt haben wir das Gefühl, was ändern zu können.»