Junges Gemüse gedeiht beim Opa

15.8.2014, 14:00 Uhr
Junges Gemüse gedeiht beim Opa

© Edgar Pfrogner

Für Ingo Körber ist Buchenbühl schlicht und ergreifend: „ein Paradies“. Der 41-Jährige ist hier aufgewachsen, in dem Haus, das sein Großvater gebaut und später an seinen Sohn weitervererbt hat. Inzwischen ist er, der Enkel, selbst zweifacher Vater, hat auf dem Familiengrundstück angebaut und ist rundum zufrieden mit der Mehrgenerationen-Situation. „Das funktioniert richtig gut, alle profitieren davon, wir als berufstätige Eltern, der Opa und natürlich die Kinder.“

Noch vor wenigen Jahren war es für junge Familien nicht einfach, sich im nordöstlichsten Rand von Nürnberg häuslich niederzulassen. Wegen der Nähe zum Flughafen und der Lärmzonen gibt es strenge Baubeschränkungen. Deshalb zogen in der Vergangenheit viele jüngere Buchenbühler weg, um andernorts ihr Domizil zu errichten. Inzwischen sind zumindest Anbauten auf den meist sehr großen Grundstücken genehmigungsfähig.

Mehrgenerationenhaus heißt das Zauberwort, das es Familien wie den Körbers ermöglicht, in Buchenbühl zu bleiben. „Das gibt es hier reihenweise“, sagt Körber. „Und wenn nicht auf dem gleichen Grundstück, dann eben ums Eck.“ Als Beispiel erzählt er von einer Bekannten, die nur wenige Meter von ihrem Elternhaus entfernt in eines der alten Häuser gezogen sei. So nach und nach werden viele der kleinen Siedlungshäuschen, von denen die ersten in den 1920er Jahren entstanden sind, leer.

Neue Besitzer oder Mieter finden sich schnell. Vor allem bei Familien – alteingesessenen wie zugezogenen — ist der Stadtteil sehr begehrt. Der Wald und das viele Grün, der dörfliche Charakter und die gleichzeitige Nähe zur Stadt versprechen eine hochwertige Wohn– und Lebensqualität. Zudem ist mit zwei Kindergärten, einer Krippe und einem Hort die Betreuungssituation weitaus entspannter als in anderen Vierteln Nürnbergs.

Junges Gemüse gedeiht beim Opa

© Mark Johnston

Auch die Zukunft der Grundschule scheint gesichert, in den letzten Jahren stand wegen sinkender Schülerzahlen immer wieder eine Schließung im Raum. „Inzwischen sind die Prognosen so, dass immer eine erste Klasse zustande kommen wird“, sagt Ingo Körber.

Um sich für den Erhalt der Schule einzusetzen, hat Körber vor zwei Jahren mit anderen Eltern den Förderverein „Bürger bilden Buchenbühl“ gegründet, der auch die Buchenbühler Kitas unterstützt. „Wir brauchen vor Ort Bildungsstrukturen, das ist ganz wichtig“, zeigt sich der Zweifachvater überzeugt.

Dass es den Mittelschulzweig ab kommendem Schuljahr nicht mehr geben wird, sieht er weniger tragisch, die meisten Buchenbühler Kinder würden weiterführende Schulen besuchen und müssten ohnehin mit dem Bus in andere Stadtteile ausweichen.

Nahversorgungstechnisch ist Buchenbühl allerdings weniger gut versorgt. Seit etwa elf Jahren gibt es keinen Supermarkt mehr, vor kurzem hat der letzte Metzgerladen geschlossen. Lediglich einen Bäcker, einen kleinen Obst- und Gemüsestand und einen Kiosk gibt es noch. „Junge Leute schreckt das nicht ab, weil sie ja mobil sind“, meint Körber. Für die ältere Bevölkerung sei das aber natürlich ein großes Problem.

„Das Seniorennetzwerk und die Diakonie bieten ab und zu Fahrten zum Einkaufen nach Ziegelstein an“, erzählt Renate Blumenstetter, die seit 34 Jahren für die SPD im Stadtrat sitzt und die Anliegen der Buchenbühler dort vertritt. Sie weiß, dass die Chance, selbst zu Fuß einkaufen gehen zu können, vielen älteren Bewohnern fehlt. Auch der Kommunikationsmöglichkeit wegen.

Junges Gemüse gedeiht beim Opa

© Michael Matejka

„Ich kann mich erinnern, als wir zu Wahlkampfzeiten vor dem Edeka unseren Stand aufgebaut hatten, da gab es Leute, die waren ganze zwei Stunden dort drin.“ Die Nachbarn treffen, ein Schwätzchen an der Kasse halten, das gehe vielen doch sehr ab. Deshalb will man versuchen, einen Wochenmarkt Am Paulusstein zu installieren.

Ingo Körber findet dennoch, dass nach wie vor viel Kommunikation stattfindet, nämlich über den Gartenzaun hinweg. Das Thema Nachbarschaftshilfe sei in Buchenbühl selbstverständlich. „Wenn man eine Bohrmaschine braucht, dann holt man sie sich halt beim Nachbarn.“

Solidarität hat hier eine lange Tradition. Das Motto „Einer für alle und alle für einen“ war die treibende Kraft bei der Entstehung der Siedlung. Die Idee hinter dem Modellversuch, der 1919 vom Arbeiter- und Soldatenrat initiiert wurde, war es, Wohnraum mit Gärten zur Selbstversorgung für Arbeitslose und Notleidende zu schaffen. Solche, die von ihrem Garten leben, trifft man auch heute noch, wie die Familie Bickes, in deren kleiner grünen Oase jegliche Sorten Obst und Gemüse gedeihen. Einmal im Jahr trifft sich hier auf Einladung des Siedlerbundes Jung und Alt zum gemeinsamen Sauerkrautstampfen.

Fragt man Renate Blumenstetter, was Buchenbühl ausmacht, muss sie nicht lange überlegen: „Es ist ein Mehrgenerationenstadtteil, das Miteinander ist hier wirklich etwas Besonderes.“ Dazu tragen auch die vielen örtlichen Vereine bei, die Anlaufstellen für Jung und Alt sind. Natürlich würden manche Nachwuchssorgen plagen, das sei aber kein stadtteilspezifisches Problem. Schützen- oder Trachtenvereine hätten es heutzutage überall schwer.

Beim Allgemeinen Sportverein ASV Buchenbühl hat kürzlich der Generationswechsel geklappt – zumindest in der Vorstandsebene. Nachdem sich lange Zeit kein neuer Vorsitzender fand, hat der 53-Jährige Robert Zippelius das Amt im Frühjahr übernommen. Doch auch er muss mit schwindenden Mitgliederzahlen kämpfen. „Im Bereich der 18- bis 30-Jährigen werden wir keine Fußballmannschaft mehr aus Buchenbühlern zusammenbekommen. Beim Tischtennis ist es besonders tragisch, wir mussten Mädchen und Jungen bereits zusammenlegen, damit sie spielen können“, erzählt er. Zwar gebe es ein gut besuchtes Kinderturnen, im Fußball wieder eine A-Jugend und eine C-Schülermannschaft, aber insgesamt sei der Trend wenig positiv.

Junges Gemüse gedeiht beim Opa

© Manuela Prill

Zippelius hofft, durch die Aufnahme von neuen Sportarten wieder mehr Stadtteilbewohner für den Verein zu gewinnen. Das bunte Miteinander, das Man-kennt-sich, kann man auch im Biergarten des Saalbaus in der Kalchreuther Straße erleben. Renate Blumenstetter grüßt nach allen Seiten, Ingo Körber winkt mit Kinderwagen vorbeispazierenden Eltern zu.

Zufällig sitzt gerade Jürgen Münderlein vom städtischen Jugendamt dienstlich hier und kann eine gute Nachricht verkünden: Der Hort wird ab 2015 um zehn Plätze erweitert, die nötigen Baumaßnahmen seien gerade in Planung. Dann kommt noch Marie Will kurz an unseren Tisch.

Die Seniorin war 28 Jahre lang Hausmeisterin an der Buchenbühler Schule, Ingo Körber kennt sie noch aus eigenen Grundschultagen. Sie wird doch keine Lausbubenstreiche ausplaudern? „Die Buchenbühler Schüler waren immer alle ganz brav“, sagt Will verschmitzt lächelnd.

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