Fall 18 von "Freude für alle"

Kein Schrank, keine Waschmaschine, keine Küche: Mia lebt in einer fast leeren Wohnung

Silke Roennefahrt

Lokalredaktion

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8.12.2023, 14:16 Uhr
Mia T. hat eine eigene Wohnung - aber fast ohne Möbel (Symbolfoto).

© imago/Jürgen Ritter, NNZ Mia T. hat eine eigene Wohnung - aber fast ohne Möbel (Symbolfoto).

Das kleine Wohnzimmer sieht gemütlich aus. Zwar steht bislang neben ein paar Kisten nur ein Sofa darin, doch Mia T. (Name geändert) hat Fotos von Freunden und Geschwistern aufgehängt und den Raum mit einigen Grünpflanzen dekoriert. Es ist ihre erste eigene Wohnung, nach vielen Jahren in der Jugendhilfe wagt sie nun den Schritt in die Selbstständigkeit. Die 19-Jährige ist eine sogenannte "Care-Leaverin" - das heißt, sie steht jetzt auf eigenen Füßen.

Dass sie das geschafft hat, ist alles andere als selbstverständlich. Denn allzu viel Stabilität hat die junge Frau in ihrem bisherigen Leben nicht erfahren dürfen. Mia T. war sieben, als das Jugendamt sie aus ihrer leiblichen Familie nahm. Bis heute quälen sie die Erinnerungen an das, was zu diesem Schritt geführt hatte. "Ich denke an einige wenige schöne Momente", sagt die Nürnbergerin. "Aber auch an viele schlimme."

Freund der Mutter hat sie geprügelt

Der Freund ihrer Mutter habe sie und ihre Geschwister regelmäßig verprügelt, erzählt T., "und meine Mutter hat nur zugeschaut." Auch die Nachbarn, die die Schreie der Kinder wohl gehört haben müssen, blieben untätig. Den Erziehern im Hort fielen schließlich die vielen blauen Flecke auf. "Und dann haben wir es ihnen gesagt." Aus der Einrichtung heraus wurden die vier Kinder in Sicherheit und in die Kindernotwohnung gebracht. Später kamen sie zu verschiedenen Pflegefamilien in der Region - T. konnte immerhin mit ihrem Zwillingsbruder zusammenbleiben.

Anfangs habe sie das als eine große Erleichterung empfunden und den Wechsel in eine andere Stadt und eine völlig neue Umgebung gut verkraftet. "Erst später habe ich realisiert, was mir da eigentlich passiert ist." Die schlimmen Erinnerungen holten sie wieder ein, auch in der Pflegefamilie lieft es nicht mehr rund. Mit zwölf Jahren wechselte sie in eine Wohngruppe in Nürnberg - und fand auch dort nur wenig Halt, weil Freunde wieder auszogen, kaum dass sie sie gefunden hatte und auch die Bezugspersonen unter den Erziehern wechselten.

Sie wollte ein Kind bleiben - und glitt in eine Depression

In den Einrichtungen gebe es wenig Beständigkeit, bestätigt der Sozialpädagoge, der T. bis vor kurzem noch begleitet hat. Die junge Frau glitt in eine Depression, auch, weil sie Angst vor dem Erwachsenwerden hatte. "Ich habe befürchtet, dass ich allein nicht zurecht kommen werde." Doch Mia T. hat es mit Hilfe ihrer Betreuer geschafft: Sie hat ihren Schulabschluss gemacht und absolviert jetzt eine Ausbildung zur Verkäuferin. Aus der Wohngruppe zog sie zunächst in ein betreutes Wohnen um, in komplett ausgestattete Räume, mit Unterstützung durch Sozialpädagogen.

Seit kurzem lebt sie nun in ihren eigenen vier Wänden - nur wann sie ihre Wohnung einrichten kann, das weiß sie noch nicht. Denn ein Budget dafür ist in ihrem Fall in der Jugendhilfe nicht vorgesehen, obwohl den jungen Leuten doch der (auch finanzielle) Rückhalt einer Familie fehlt. Im Gegenteil: Als sie noch in den Einrichtungen lebte, musste sie von ihrem Ausbildungsgehalt sogar etwas abgeben. Jetzt kommt sie mit ihrem schmalen Budget gerade so über die Runden, für Möbel oder Haushaltsgeräte bleibt nichts übrig. Und so haust sie derzeit in fast leeren Zimmern, hat weder Kühlschrank, Spüle, Schränke oder Waschmaschine, der einzige "Luxus" ist ein Mini-Backofen. Es sei bewundernswert, dass sie trotz aller Widrigkeiten ihren Weg gehe, sagt der Sozialpädagoge. "Sie kann stolz auf sich sein." Die Weihnachtsaktion will helfen.

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