Keine Kohlfahrt ohne Teebeutel-Weitwurf

1.2.2010, 00:00 Uhr
Keine Kohlfahrt ohne Teebeutel-Weitwurf

Auch wenn der Nürnberger in der Regel auf sein Schäufele schwört, ist er doch weltoffen und fremden Bräuchen gegenüber aufgeschlossen. Zur Kohlfahrt des «Zeit & Raum» fanden sich neben eingewanderten Nordlichtern auch jede Menge echte Franken ein.

Dichtes Schneetreiben hüllt die fast 20 Kohlfans vor dem Innenstadt-Lokal ein. Drei Azubis verteilen die Ausrüstung für den Abend: Jeder Gast bekommt ein stabiles Schnapsglas in die Hand gedrückt. Thomas «Dami» Sprie packt derweil die Wegzehrung in einen Bollerwagen: eine Kiste Flensburger Bier und zwei Flaschen Schnaps. «An jeder Ecke gibt es einen Korn», erklärt der Initiator der Kohlfahrt. Der frühere Zeit & Raum-Küchenchef und jetzige Sous-Chef im Pillhofer stammt aus Bremerhaven – einer echten Grünkohl-Hochburg.

Kulinarische Deutschlandreise

Auf die erste «Ecke» treffen die Kohlfahrer schon nach wenigen Metern. Als Überraschungsgast wartet am Schuldturm Liedermacher El Mago Masin mit seiner Gitarre und schmettert der Gruppe «Hamburg meine Perle» entgegen. Vom Elbstrand geht es aber ganz schnell wieder zurück an die Pegnitz: Zwei angehende Köche warten mit Sauren Zipfeln, die im handlichen Glas serviert werden. «Wir machen eine kulinarische Deutschland-Reise», erklärt Manuel Kehrer, der eine Ausbildung zum Restaurantfachmann macht, das Konzept des Rundgangs.

Nur wenige Meter weiter, an der Brücke zum Cinecitta, ist die Gruppe schon in Thüringen angelangt: Es gibt Bratapfel mit Blutwurst, Röstzwiebeln und Kartoffelstampf. «Ein Rezept meiner Oma,» verrät Kochazubi Christian Thieme, der aus Erfurt stammt. Später führt der Weg noch nach Sachsen (Quarkkeulchen mit Apfelmus und Zimt) und Hamburg (Fischbällchen mit Rote Beete-Dip und Kartoffelsalat).

Die kleinen Leckereien haben die angehenden Köche und Restaurantfachleute in Eigenregie vorbereitet und in Wärmeboxen zu den vier Stationen gebracht. Einmal im Monat organisieren die Azubis von Gasthof Pillhofer und Zeit & Raum unter dem Titel «Punk Cuisine» einen Themenabend. «Wir kümmern uns um alles – vom Einkauf der Dekoration über die Menü-Zusammenstellung, bis zum Service und den Cocktails», sagt Manuel Kehrer. Und natürlich suchen sie sich immer Herausforderungen – etwa Flambieren am Tisch oder ein besonders raffiniertes Rezept.

Während ein Teil der Azubis das Geschirr dezent abräumt und die Wärmeboxen fast unbemerkt wegträgt, motiviert El Mago Masin die Kohlfahrer zu gemeinsamen Gesangseinlagen. Mit einer kleinen Tanz- und Gesangsperformance wärmt sich die Gruppe am Bauhof für die letzte Etappe auf. Nach rund zwei Stunden erreichen die Teilnehmer das Königstor. Bevor es an die Kohltöpfe im Gasthof Pillhofer geht, werden noch Meister in typisch norddeutschen Spielen ermittelt: im Teebeutel-Weitwurf zum Beispiel.

Gesundes Gemüse mit ziemlich fetten Würsten

Eine ganze Schachtel Teebeutel landet nach und nach im frischen Schnee. Einige erfahrene Kohlfahrer zeigen Techniken für einen möglichst weiten Wurf. Derweil arbeiten die Azubis im ersten Stock des Gasthauses in der Königstraße auf Hochtouren: Verschiedene Biere werden gezapft, Kartoffeln, Grünkohl, Würste und gekochter Schweinebauch auf großen Platten angerichtet. Der massive Holztisch ist mit Wurzelgemüse, Zwiebeln und Kerzenleuchtern dekoriert.

Sobald alle Gäste sitzen, tragen die angehenden Restaurantfachleute auf. «Sehr lecker, sehr deftig, genau das Richtige bei der Kälte,» findet ein Franke, der über Freunde aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein Gefallen an dem norddeutschen Traditionsgericht gefunden hat.

Die dunkelgrünen, krausen Blätter haben einen herb-süßen Geschmack und sind sehr gesund, weiß einer der Azubis: Fast so viel Vitamin C wie in Paprika und viele Mineralstoffe seien im Grünkohl enthalten. Weniger Lob dürfte die herzhafte Fleischeinlage bei Ernährungsexperten einheimsen. Grützwürste, gekochter Schweinebauch und Pinkelwurst sind fett – aber sehr schmackhaft. Koch Dami importiert die Würste direkt aus seiner Heimat Bremerhaven. Im Pillhofer haben die Gäste ihren Hunger gestillt. Zeit für eine Showeinlage: Mit sicheren Handbewegungen flambieren die Azubis Crêpe Suzette – eine Premiere: «Wir haben das noch nie gemacht und gerade erst die Anleitung gelesen», verrät Jasmin Zettel.

Weitere Punk-Cuisine-Termine

unter http://www.zeiti.net/

Keine Kommentare