Kleine Optikergeschäfte nehmen den Kampf auf

23.8.2013, 17:46 Uhr
Kleine Optikergeschäfte nehmen den Kampf auf

© Astrid Löffler

Die Konzentration in der Optikerbranche schreitet voran: Nachdem 2011 erstmals mehr Brillen bei Ketten als bei Einzelhändlern gekauft wurden, entfielen vergangenes Jahr auf die zehn größten Filialisten in Deutschland schon 37 Prozent des Gesamtumsatzes oder 1,9 Milliarden. Euro. Das Wachstum des Gesamtmarkts um 2,5 Prozent gegenüber 2011 auf nun 5,2 Milliarden Euro ging größtenteils auf das Konto der Ketten, die so ihre Marktanteile ausbauten, analysiert der Zentralverband der Augenoptiker (ZVA) in Berlin.

Kleine und mittlere Brillengeschäfte in Nürnberg beobachten diese Entwicklung mit Sorge und grenzen sich gleichzeitig gegen die aggressive Preispolitik der Ketten ab. Nicht nur, weil sie da aufgrund der viel geringeren Stückzahlen ohnehin nicht mithalten können, sondern auch weil sie so manche Billigbrille wegen der schlechten Qualität nur mit Bauchschmerzen verkaufen könnten, sagt Optiker Frank Schlemmer. Richtig tief in die Tasche greifen müssten Kunden deshalb aber nicht - bereits ab 40 Euro aufwärts gäbe es gute Fassungen, die dann allerdings ebenfalls aus Fernost stammten.

Unikate aus Nürnberg

Wer eine in Deutschland hergestellte Brille will, muss ein Mehrfaches für die Fassung rechnen, bekommt dafür aber bei Optik Schlemmer neuerdings sogar eine maßgefertigte Lösung. Denn das im Jahr 1946 gegründete Traditionsunternehmen mit derzeit 45 Mitarbeitern hat im vergangenen Jahr eine kleine Manufaktur im Westen der Stadt aufgebaut, wo seit wenigen Wochen individuelle Kunststoffbrillen entstehen.

Mit einer eigens zu diesem Zweck entwickelten Software kann der Kunde jetzt in einer der neun Filialen von Schlemmer seine Wunschbrille am PC entwerfen lassen. Dazu wird als erstes ein Porträtfoto des Brillenträgers angefertigt und auf den Rechner übertragen. „Unsere Idee war, direkt auf dem Gesicht des Kunden eine Fassung zu designen“, erklärt Oliver Brunner, der die Manufaktur aufgebaut und viele Maschinen selbst entworfen hat.

20 Arbeitsschritte

Nachdem der Optiker mithilfe von Schablonen den richtigen Sitz auf der Nase bestimmt und den Augenabstand gemessen hat, kann der Kunde aus diversen Formen und derzeit zehn Farben seine Wunschfassung kreieren. Diese wird dann in Nürnberg teils von Hand, teils mit Maschinen produziert. Insgesamt 20 Arbeitsschritte und bis zu drei Arbeitstage sind nötig, bis das Modell fertig ist, in das am Schluss der Name des Trägers und „Unikat“ graviert werden. Auf diesem Weg könne endlich jeder Kunde eine optimal passende Kunststoffbrille finden, sagt Schlemmer.

In der Manufaktur von Optik Schlemmer sind die Prozesse so weit wie möglich automatisiert. Immer wieder ist jedoch auch Handarbeit nötig: Das Foto zeigt Oliver Brunner beim Glätten einer Fassung.

In der Manufaktur von Optik Schlemmer sind die Prozesse so weit wie möglich automatisiert. Immer wieder ist jedoch auch Handarbeit nötig: Das Foto zeigt Oliver Brunner beim Glätten einer Fassung.



Bislang hätten viele Kunden das Problem gehabt, dass sie sich eine modische Kunststofffassung wünschten, diese aber nicht zu ihrem Gesicht oder auf ihre Nase gepasst hätte. Schließlich sei bei Kunststoffbrillen die bei Metallfassungen übliche Korrektur mittels Nasenstegen nicht möglich.

Um sich als Mittelständler auf dem hart umkämpften Brillenmarkt behaupten zu können, müsse man den Kunden einen echten Mehrwert gegenüber den Ketten bieten, analysiert Schlemmer. Manche Optiker setzten deshalb auf eine Premium-Strategie, andere – so wie er – auf eine immer stärkere Individualisierung des Angebots. „Unser Ziel ist es, für jeden Kunden die perfekte Brille zu finden“, resümiert der Augenoptikermeister, der im vergangenen Jahr 4,2 Millionen Euro umgesetzt hat. „Außerdem haben wir uns auf Gleitsichtbrillen zur Korrektur von Altersweitsichtigkeit spezialisiert.“

Optikermeister Matthias Kröniger hat am eigenen Leib erfahren, wie es ist, wenn die Geschäfte nicht laufen. Fünf Jahre lang hat er versucht, in Gostenhof einen kleinen Laden für Designer-Brillen zu etablieren und musste am Ende feststellen: „Es reicht nicht.“

Farbenfrohe Kinderbrillen mit flexiblen Bügeln gehören zum Angebot des Ladengeschäfts „Sichtwerk“ des Optikermeisters Matthias Kröniger.

Farbenfrohe Kinderbrillen mit flexiblen Bügeln gehören zum Angebot des Ladengeschäfts „Sichtwerk“ des Optikermeisters Matthias Kröniger.



Dabei ist sein Konzept von „Sichtwerk“ durchaus tragfähig, nur die Lage war ungünstig. „Nach dem Umzug 2005 an den Trödelmarkt kamen plötzlich Arbeitskollegen, Freunde und Verwandte meiner bisherigen Kunden“, berichtet der Familienvater und konstatiert: „Nürnberg ist einfach Innenstadt.“

Im Programm hat Kröniger nicht etwa die Brillen bekannter Modemarken wie Chanel, Gucci und Versace, sondern „kleine Fassungsfirmen, die die Brille so sehr lieben, dass sie nichts anderes machen“. Viele dieser Designer kämen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, wo sie oft auch noch produzierten. 1200 Fassungen – und damit viel mehr als Betriebswirtschaftler aufgrund der damit verbundenen hohen Lagerhaltungskosten raten – hat der Drei-Mann-Betrieb im Angebot.

Linsen im Auge

Dazu zählen beispielsweise leichte, hochflexible Fassungen für Kinderbrillen, die in den Farben von Gummibärchen erhältlich sind. „In dem Bereich ist es ganz wichtig, früh zu beginnen“, empfiehlt der Optikermeister. „Denn viele Sehschwächen, etwa einseitige Weitsichtigkeit oder Schielen, lassen sich bei frühzeitiger Intervention oft so gut korrigieren, dass nach der Pubertät gar keine Brille mehr getragen werden muss“, erklärt der Fachmann.

Blick in die neue Brillenmanufaktur von Optik Schlemmer: Mitarbeiter Markus Schönleben reinigt die CNC-Fräse, die dort zum Einsatz kommt.

Blick in die neue Brillenmanufaktur von Optik Schlemmer: Mitarbeiter Markus Schönleben reinigt die CNC-Fräse, die dort zum Einsatz kommt.

Enorm fortgeschritten sei die Technik in den vergangenen Jahren nicht nur bei Kinderbrillen, sondern auch bei Kontaktlinsen, berichtet Kröniger. So gebe es inzwischen beispielsweise sogenannte Mehrstärkenlinsen, die für normales Sehen wie Lesen gleichermaßen geeignet sind. Auch höhere Stärken könnten mittlerweile problemlos den ganzen Tag getragen werden. Dreh- und Angelpunkt einer guten Beratung beim Optiker sei das Feststellen der „Sehwelten des Kunden“, also wofür er die Brille braucht und was ihm an ihr besonders wichtig ist, beispielsweise deren Design, Seherlebnis oder Regionalität. „Eine Brille muss man anfassen und aufsetzen können, wenn man einen gewissen Qualitätsanspruch hat“, ist der Firmenchef überzeugt und fürchtet deshalb die Konkurrenz von Online-Brillenhändlern, deren geschätzter Marktanteil bei ein bis zwei Prozent liegt, nicht wirklich.

Allerdings sieht Kröniger durchaus einen wachsenden Wunsch in der Bevölkerung nach mehr Komfort. Er erwägt deshalb, Kunden einen Service anzubieten, bei dem diese mehrere Fassungen zur Ansicht nach Hause bekommen. Für Kunden mit körperlichen Besonderheiten, etwa einer sehr breiten oder schmalen Nase, und solchen, die etwas ganz Ausgefallenes suchen, bietet der Unternehmer außerdem an, zusammen mit einem englischen Designer eine Maßbrille zu fertigen.

„Wir haben sehr informierte Kunden, die nicht wegen irgendwelcher Angebote zu uns kommen und denen klar ist, dass in Deutschland produzierte Ware nun mal teurer ist als Fernostware“, resümiert Kröniger.

Aufklärungsarbeit nötig

Fritz Zschau, Geschäftsführer bei Optiker Leidig in der Königstraße, muss da schon mehr Aufklärungsarbeit leisten: „Im Kerngeschäft Brillen ist der Preiskampf sehr präsent, und es werden oft Dinge miteinander verglichen, die nicht vergleichbar sind, etwa Gläser für 99 Euro das Stück mit welchen für 495 Euro.“

Auch stimmt seinen Worten zufolge der manchmal vorherrschende Eindruck nicht, dass so manches mögliche Brillenextra nutzlos sei. Bei einer nötigen Korrektur von sechs bis acht Dioptrien profitiere ein Brillenträger eben zum Beispiel sehr wohl von einem dünneren Glas, auch wenn das bloße Auge zu einem anderen Material keinen Unterschied erkennen könne. „Uns ist der ehrliche Umgang mit den Kunden wichtig“, versichert Zschau, der zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder den ältesten, noch in Familienbesitz befindlichen Optikerbetrieb Nürnbergs in fünfter Generation führt.



Passend zu so viel Tradition hat Optiker Leidig – anders als viele seiner Kollegen – auch noch Ferngläser und Wettergeräte im Sortiment. Für besonders schlecht sehende Kunden, beispielsweise mit Makula-Degeneration, gibt es verschiedene vergrößernde Sehhilfen, etwa Fernrohr- und Lupenbrillen. Ein weiterer Schwerpunkt des Familienbetriebs liegt auf komplizierteren Kontaktlinsen-Lösungen, die manchmal die einzige Möglichkeit seien, bestimmte Fehlsichtigkeiten befriedigend zu korrigieren.
 

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