Kollegin mit Lineal auf Po geschlagen: Polizist verurteilt

13.1.2018, 05:50 Uhr
Kollegin mit Lineal auf Po geschlagen: Polizist verurteilt

© Foto: Michael Matejka

Helmut L. (Namen der Beteiligten geändert) wirkt wie ein korrekter, vertrauenswürdiger Beamter. Im grauen Anzug ist der 56-jährige Polizist beim Amtsgericht erschienen. Als er über seine Tat berichtet, die man ihm spontan gar nicht zutrauen will, kann er sich vom Beamtendeutsch nicht ganz lösen.

Der Vorfall im Juni 2017 in einer Nürnberger Polizeidienststelle begann banal: An einem Freitagnachmittag ging in einem Dienstzimmer ein Blumentopf zu Bruch, der auf der Fensterbank stand. In dem Raum saßen zwei Polizistinnen, 49 und 28 Jahre alt, der Angeklagte war mit ihnen im Zimmer. Der Topf gehörte einer dritten Kollegin, die gerade im Urlaub war.

Alles wegen eines Blumentopfs

Dienststellenleiter Helmut L. wollte gleichwertigen Ersatz besorgen. Also nahm er ein Lineal vom Schreibtisch, "um die Größe des Blumentopfes festzustellen", wie er sagt. Zerbrochen war der Topf, weil das offene Fenster durch einen Windstoß dagegenknallte und der Topf deswegen herunterfiel. Die 49-jährige Beamtin sagte sinngemäß: "Da haben wir Glück gehabt. Wenn er aus dem Fenster und jemandem auf den Kopf gefallen wäre, sähen wir jetzt ziemlich alt aus."

Die 28 Jahre alte Anja W. wollte sehen, wie tief es nach unten ging – das Zimmer ist im vierten Stock —, und lehnte sich aus dem Fenster. Plötzlich fühlte sie einen Schlag auf ihrem Hinterteil, der wie ein Peitschenhieb klang. Sie drehte sich um und sah in das grinsende Gesicht ihres Vorgesetzten Helmut L. Er hielt immer noch das 30 Zentimeter lange Plastiklineal und schlug es gegen seine Hand.

Nur die Stille durchbrechen

Warum hat L. das gemacht? Er selbst erklärt es so: "Es hat plötzlich so eine Stille im Zimmer geherrscht, die ich als unangenehm empfunden habe. Um die Stille zu beenden, ist mir leider nichts Besseres eingefallen, als Anja W. mit dem Lineal einen Klaps auf das Gesäß zu versetzen." Er habe das eher als scherzhafte Geste gemeint. Dass die Frau das gar nicht komisch fand und es ihr wehtat, sei ihm nicht aufgefallen. Die 49-Jährige, die den Schlag sah, sagte zu ihrer Kollegin: "Ich hab das gesehen, ich bin Zeugin." Helmut L. will das zunächst als Scherz gedeutet haben.

Anja W., eine hochgewachsene, schlanke Frau, bezeichnet sich selbst als "nicht auf den Mund gefallen" – und das merkt man ihr an. "Aber in dem Moment konnte ich gar nichts sagen", erzählt die Nebenklägerin, die damals noch keine zwei Monate auf der Dienststelle arbeitete. "Ich war total perplex." Das ganze Wochenende war die junge Polizistin verstört. Sie erinnerte sich, dass ihr Chef im Kollegenkreis mehrfach über junge Bewerberinnen gesprochen habe – genauer: über deren äußere Merkmale. Warum bin ich selbst eigentlich eingestellt worden?, fragte sie sich. Hatte das auch mit meinem Alter und Aussehen zu tun?

Am darauffolgenden Montag schien sich Helmut L. – er war damals übrigens für interne Ermittlungen zuständig, also Ermittlungen gegen Polizeikollegen – seines Fehlers immer noch nicht bewusst zu sein. Bei einer Besprechung streute er flapsige Anekdoten über zwei Kolleginnen ein, die sich auf einem Dienstausflug bei einer Bootsfahrt ungeschickt angestellt hatten.

Auf anderen Posten versetzt

Bei den jüngsten Sexismus-Debatten war zu hören, dass die Vorwürfe betroffener Frauen oft nicht ernst genommen werden. Das war hier anders: Anja W. sprach mit ihrer erfahrenen Kollegin, die den Vorfall beobachtet hatte. Zwei Tage später wurde Helmut L. zur Vizepräsidentin des Landeskriminalamtes nach München zitiert, kurz darauf versetzte man ihn auf einen anderen Posten.

Amtsrichterin Sabine Pilartz verurteilt Helmut L. wegen Körperverletzung im Amt und Beleidigung zu 6500 Euro Geldstrafe (50 Tagessätze zu je 130 Euro). Weil er sich bei Anja W. entschuldigte und ihr freiwillig 1500 Euro Schmerzensgeld zahlte, wertet die Richterin die Tat als minderschweren Fall. Die Staatsanwältin, die dem Polizisten eine "erschreckende Einstellung gegenüber Frauen" attestierte, hatte sogar 12 600 Euro (90 Tagessätze à 140 Euro) beantragt.