Kommentar: Neue Architektur in Nürnberg wird besser

8.4.2021, 05:59 Uhr
Jetzt ist das Tafelhof Palais am Hauptbahnhof fertig. Die Fassade besteht aus Natustein.

© Stefan Hippel, NNZ Jetzt ist das Tafelhof Palais am Hauptbahnhof fertig. Die Fassade besteht aus Natustein.

Wer sich zu früh freut, den bestraft - meistens - das Leben. In Nürnberg wurde schon viel über Architektur geschimpft und diskutiert. Doch es gab auch hoffnungsvolle Zeichen. Nachdem 2000 das Neue Museum eröffnet hatte, schien es, dass die alte Reichsstadt Anschluss an eine moderne, qualitativ hochwertige Architektur gefunden hat. Das Neue Museum mit dem Klarissenplatz wurde zu einem Ort, an dem man sich gern aufhält.

Doch die Erwartungen wurden enttäuscht. Gebaut wurden wieder einfallslose Kisten, die es den Planern möglich machten, das Gebäude ohne viel Aufwand mit Wärmedämmung zu versehen. Fassaden wurden kaum gegliedert. Es fehlte an Vorsprüngen und Rücksprüngen. Bewusste eingesetzte, gestalterische Elemente blieben auf der Strecke. Alles, was die Identität eines Hauses ausmacht, wurde getilgt. Allenfalls ein bisschen Farbe spendierten die Bauherren. Es entstand eine plane Architektur, die komplett auf Reize verzichtete. Langweile pur. Kein Mensch will solche Gebäude anschauen. Die Augen finden keinen Halt und Anlass, sich mit diesen uniformen Belanglosigkeiten auseinanderzusetzen.

Das ist schlimm, denn nicht nur die Natur, sondern auch architektonisch gelungene Gebäude und Räume sind für die Psyche des Menschen wichtig. Sie wirken entspannend oder stimulierend. Menschen halten sich gern dort auf, wo sie merken, da wurde etwas nach menschlichem Maß gestaltet. Das ist nicht relativ zu sehen: Architektonische Perlen in Italien, Frankreich und Deutschland sind in Zeiten ohne Corona von Touristen überlaufen. Die Menschen zieht es dort hin, wo sie sich wohl fühlen können. Es gibt genügend Untersuchungen darüber, wie schlechte Architektur Menschen negativ in ihrem Sozialverhalten beeinflusst.

In diesen, von Corona verdunkelten Zeiten scheint es, dass es Nürnberg architektonische Lichtblicke gibt. Von einem Trend zu reden, ist allerdings noch zu früh. Die Fassade der Neubebauung am Hauptbahnhof ist ansehnlich und es entsteht dort ein neuer, öffentlicher Raum. Auch der Augustinerhof ist gelungen und an dem neuen Platz an der Pegnitz werden noch viele Menschen ihr Freude haben: Dort wird man gerne sitzen.


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Mit Abstrichen sind auch die IHK und das Seetorprojekt am Wöhrder See gut gestaltete Beispiele für eine moderne Architektur. Was noch fehlt ist Natur am Bau: Hängende Grünpflanzen, die funktional auch als Mittel gegen zu starke Sonneneinstrahlung eingesetzt werden können. Bäume, die große Fassaden gliedern und die auch auf den Eingangsbereich natürlich aufmerksam machen. Damit es gelingt, müssen Bauherren und Architekten aber mitziehen. Gute Architektur lässt sich leider nicht verordnen.

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