Königin des Aufseßplatzes: Nürnberger Original ist tot

2.2.2021, 12:02 Uhr
Königin des Aufseßplatzes: Nürnberger Original ist tot

© Paradies/privat

Morgens 9.30 Uhr in der Südstadt. Langsam erwacht der Aufsessplatz. Die Anni sitzt schon in ihrem Stammcafé und schlürft einen Cappuccino. Über den Tassenrand schaut sie, wen man denn so kennt. Und da muss sie nicht lange schauen. "Guten Morgen Anni, geht’s gut?" "Freili", sagt sie beschwingt und klopft auffordernd auf den Stuhl neben sich. "Hock di halt a weng her."

Waffeln und Ratschen

Für die Südstädter gehörte diese Dame zum Aufsessplatz wie der "Schocken", dessen Name ebenfalls ein Eigenleben führte und der momentan Stück für Stück Geschichte wird. Anni, die elegante Frau, die nach Ansicht einer langjährigen Wegbegleiterin immer ein wenig wie eine Figur aus dem Denver Clan wirkte, liebte und lebte ihr direktes Umfeld und die Menschen, die dort lieben und leben. Die Kaiserin der Südstadt. Die Königin des Aufsessplatzes. Unklar, ob sie diese Titel sich selbst verliehen hat, oder ob sie ihr verpasst wurden. Fest steht: Sie passten zu ihr wie die auffällig rot-funkelnden Ohrringe, die sie gern und oft trug.

Königin des Aufseßplatzes: Nürnberger Original ist tot

© Arapovic/privat

A weng Waffeln oder Ratschen - das ging mit der Anni immer. Zu den langjährigen Freundinnen gehört auch Angela Arapovic, die vor über 40 Jahren der Anni zum ersten mal begegnet ist. Ein nettes Gespräch ergab sich da. Einige Nürnberger raunten ihr danach hinter vorgehaltener Hand zu: "Des is fei a Moo!" Ja und?, hat Angela Arapovic geantwortet.

Kinderfotos vernichtet

Als "Moo" hat sich die Anni, seit sie denken kann, nicht gesehen - wie sie in einem Porträt der Medienwerkstatt Franken ("Geschöpfe der Nacht") sagt: "Ich war ein Mädchen, da gab es nichts daran zu rütteln." Alle Kinderfotos, die sie als Junge zeigten, hat sie vernichtet - bis auf eines. Aber die Person darauf, war ihr fremd. Ohne Operation, ohne offizielle Namensänderung lebte sie ihr Leben - und wem das nicht passte, der musste sich ja nicht mit ihr befassen.

Tagsüber der Aufsessplatz und Abends ging es ins "Paradies". Dort im Travestietheater arbeitete Anni als Bardame. Auf die Bühne strebte sie nicht. Eher war es der 2016 verstorbene Direktor Peter Schneider, der eines abends zu ihr sagte: "Du gehörst doch ins Rampenlicht." Der jetzige Leiter Thomas Heber erinnert sich gut: "Und dann ging die Anni raus und hat geredet und gschmarrt - und das Publikum hat sie sofort ins Herz geschlossen." Dass sie dabei immer wieder mal die Grenzen des guten Geschmacks verlassen hat - geschenkt. Das musste man dieser sympathischen Figur, der fränkischen Hausfrau, einfach verzeihen.

Plötzlich wurde es still

Und so begann spät noch eine kleine Karriere. Den großen Luxus hat sie indes nicht gebraucht. Wenn sie ihren Cappuccino am Aufsessplatz schlürfen konnte, war sie glücklich. Für andere hat sie sich gern ins Zeug gelegt, Schäufele gemacht und großzügig eingeladen, berichten Freunde. Bestürzt reagieren sie nun auf ihren Tod. Von einem Schlaganfall hatte sie sich nicht ganz erholt. Nachdem das Leben auf dem Aufsessplatz in letzter Zeit nicht mehr statt gefunden hat, sei die sonst so Lebenslustige still und stiller geworden. Aus den vielen Kontakten hatte sie stets eine Menge Energie gezogen. Die plötzliche Ruhe habe ihr den Lebensmut geraubt, heißt es.

Am Aufsessplatz wird die Anni weiterleben. Viele werden sie in Gedanken noch sehen, wie sie da sitzt, vor ihrem Cappuccino. "Hock di halt a weng her".

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