Kritik in Fischbach: Straßenname für Hitler-Unterstützer

3.10.2017, 17:03 Uhr
Eine idyllische Straße — doch ihr Name steht auf der Kippe. Ob die Stehrstraße in Fischbach weiterhin so heißt, wird sich zeigen.

© Günter Distler Eine idyllische Straße — doch ihr Name steht auf der Kippe. Ob die Stehrstraße in Fischbach weiterhin so heißt, wird sich zeigen.

Bei der jüngsten Bürgerversammlung in Altenfurt stellte sich ein Anwohner vor das Mikrofon und sorgte zunächst für ratloses Schweigen. Seine Rede begann er ohne weitere Erklärung mit dem Satz: "Uns sollen die Zähne ausfallen und die Zunge im Munde verdorren, wenn wir am 10. April nicht dem Führer und seinen Taten ein begeistertes Ja zurufen."

Dieser Einstieg hat gesessen. Wie der Anwohner weiter ausführte, handele es sich hierbei um ein Zitat des 1864 geborenen deutschen Schriftstellers Hermann Stehr. Gewürdigt wird sein Name mit der Stehrstraße in unmittelbarer Nachbarschaft des evangelischen Pfarramtes Nürnberg-Fischbach. Eine im Grünen gelegene überschaubare Straße, gesäumt von 13 Häusern.


Wie rassistisch sind Nürnbergs Straßennamen?


Nach Ansicht des Bürgers ist die Namensgebung ein unhaltbarer Zustand. Sein Anliegen habe er schon vor über zwei Jahren vorgetragen, eine Antwort seitens der Stadt stehe noch aus, sagt er. "Dass dieser Name mit einem Straßenschild gewürdigt wird, ist in der Stadt der Menschenrechte eine Schande", schloss er seinen kurzen Vortrag.

Der anwesende Wirtschaftsreferent Michael Fraas, in dessen Aufgabengebiet Straßennamen fallen, kommentierte das Anliegen: "Das ist natürlich ein unerträgliches Zitat", stimmte er dem aufgebrachten Bürger zu.

"Das Stadtarchiv muss hier umfangreich recherchieren"

Gleichzeitig warb er um Verständnis für die lange Bearbeitungszeit: "Das Stadtarchiv muss hier umfangreich recherchieren, anschließend geht ein Vorschlag an den Verkehrsausschuss des Stadtrates", sagt er an den Antragsteller gerichtet.

Die Fragen, die es zu klären gelte, seien umfangreich. Man müsse den Fall 100-prozentig klären. Dabei wolle man beim aktuell diskutierten Straßennamen auch herausfinden, warum die Straße überhaupt ursprünglich so benannt wurde. Aus der einstigen Fischerstraße wurde wegen Verwechslungsgefahr im Jahr 1973 nach der Eingemeindung Fischbachs die jetzige Stehrstraße.

Hermann Stehr war ein enger Freund Walter Rathenaus, dem eine bisweilen widersprüchliche politische Haltung nachgesagt wird. Auch bei Stehr ist die Haltung nicht eindeutig. Galt der anfangs erfolgreiche Schriftsteller zunächst als überzeugter Demokrat, schwenkte die Fahne später um und er zeigte unverhohlen Sympathie für die Nationalsozialisten. Diese feierten Stehr als "Künder der deutschen Seele" und priesen ihn wegen "völkischer Erdverbundenheit".

Immer wieder Debatten in Nürnberg

Der Blick über den Tellerrand zeigt: Nürnberg ist nicht die einzige Stadt, die mit Stehr als Namensgeber für Straßen hadert. In Münster beschäftigte der Stehrweg lange Zeit die Zuständigen. Dort hat eine eigene Straßennamen-Kommission wegen Stehrs deutlicher Nähe zu den Nationalsozialisten und seiner - historisch nicht belegten - Beteiligung an der Bücherverbrennung einstimmig die Umbennung des dortigen Stehrweges empfohlen. Eine Umfrage unter den Münsteranern zeigte jedoch, dass nur eine Minderheit sich in einem solchen Fall generell für eine Umbennung ausgesprochen hat. Weitaus mehr traten für die Beibehaltung mit erklärendem Hinweis ein. Der Stadtrat entschied damals, den Namen beizubehalten.

In Nürnberg hat man über Umbenennungen schon unzählige Debatten geführt - und wird weitere führen müssen. Einen der härtesten Dispute gab es über die Treitschkestraße in Erlenstegen. Der Name des Antisemiten wurde schließlich entfernt. Stattdessen gibt es nun die Steuerwald-Landmann-Straße.

Die Stadt will bald die Anwohner anhören und das Urteil der Experten abwarten. Etwa in einem halben Jahr, so schätzt Fraas, könne man eine Entscheidung treffen.

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