Lange Nacht der Wissenschaften in Nürnberg

26.10.2009, 00:00 Uhr
Lange Nacht der Wissenschaften in Nürnberg

© Gerullis

Eine zweite Kinderschlange bildet sich nebenan beim «Gummibärchen-Angeln». Leon Winkler ist gerade dran. Mit einem dünnen OP-Stab, mit einer Klemme am Ende, versucht der 12-Jährige Gummibärchen aus einem Körpermodell «herauszuoperieren». Stilecht hat er einen grünen Chirurgen-Kittel angezogen bekommen. Die roten und weißen Weingummis, die im fiktiven Bauchraum zu holen sind, sieht er nur auf einem Bildschirm. Kinderchirurgin Belma Koprülü hält den zweiten Stab mit der Kameralinse.

Normalerweise operieren die Chirurgen mit den Stäben «minimal invasiv», das heißt sie hinterlassen dabei nur ganz kleine Narben. Was für die Patienten Vorteile bringt, stellt sich hier als Hindernis heraus: «Du musst die Gummibärchen hochkant erwischen, sonst passen sie nicht durch die kleine Öffnung hindurch», erklärt Leon. Das ist nicht so leicht. «Das Kamerabild ist verzögert», erkennt er. «Da denkst du du hast es fast, dabei bist du schon zu weit.» Totzdem hat er ein Gummibärchen erwischt und steckt es zufrieden in den Mund.

«Ich komme mir vor, wie bei der Sendung mit der Maus», meint Kathrin Dembowski. Auf den Förderbändern vor ihr rutschen je ein blauer, roter, grüner und schwarzer Stift in ihre Verpackung. Ein Saugnapf hebt die Plastikhülle an und dreht sie um. Eine andere Maschine klebt Etiketten darauf. «Man fährt hier immer vorbei, aber weiß eigentlich nichts darüber», sagt die 31-Jährige. Sie wohnt in Nürnberg und arbeitet in Erlangen.

Dazwischen, in der Moosäckerstraße liegt das große Gelände der Firma Staedtler. Statt nur vorbeizufahren, dürfen die Besucher in der Langen Nacht hineingehen, in die Fertigungshallen und Prüfwerkstätten. Sie sehen, wie der Ofen die Minen der Bleistifte brennt und wie viele verschiedene Greifarme einen einzelnen Stift zusammenbauen.

Trotz der vielen Schilder, «Vorsicht, Lichtvorhang», strecken immer wieder Neugierige ihre Nasen zu weit nach vorne. Sofort stehen die Bänder still. Ein Mitarbeiter kommt, erinnert an das Schild und startet die Produktion erneut.

Roberta und Pasquale Longo aus Nürnberg mussten erst ihre Kinder ins Bett bringen, bevor sie zur Langen Nacht der Wissenschaften aufgebrechen konnten. «Zum Mitnehmen sind sie noch zu klein», sagt Pasquale Longo. Im Öl- und Gas-Showroom von Siemens auf der Tour Nürnberg Süd hat sich das Ehepaar angesehen, wie die beiden Rohstoffe aus dem Meer gefördert werden und bis zum Verbraucher gelangen. «Das war sehr interessant», findet Roberta Longo. Ihr Mann arbeitet in einem Nürnberger Hotel. «Der Ingenieur, der den Vortrag bei Siemens gehalten hat, übernachtet dort und hat uns eingeladen zu der Veranstaltung zu kommen.»

Auf dem Tisch liegen dunkelrote und schwarze Tücher, darauf stehen goldene Gläser und kupferfarbene Töpfe. Der Hörsaal in der Landesgewerbeanstalt auf der Tour Nürnberg Süd-West ist nur durch Kerzenlicht beleuchtet. Ein Mann mit wallendem blondem Haar und langen Gewändern schreitet die Treppe herunter: «Ich bin Alchemist und werde heute vor euren Augen Eisen in Gold verwandeln», stellt er sich vor.

Das klappt mit «magischen Funken», unterschiedlichen Flüssigkeiten und einem Zauberspruch «Mutate Aurorum». Der eben noch metallisch glänzende Schlüssel ist nun gold-farben. Das Publikum klatscht begeistert.

Doch «halt, halt, halt», ein Mann im weißen Kittel unterbricht die Begeisterung. LGA-Mitarbeiter Johann Mooslechner schimpft den Alchemisten: «Von wegen Magie! Sie verwenden eine anerkannte Technologie, die Galvanotechnik.»

An einem weniger spektakulär aussehenden, doch dafür wissenschaftlich korrekten Labortisch zeigt Mooslechner was hinter der Gold-Verwandlung steckt. «In der Elektrolyse spalten wir Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Halte ich ein Metall da hinein, entstehen Funken – keine magischen Blitze.» «Schade», rutscht es einem Zuschauer heraus. Taucht man das Eisen anschließend in eine Cyankaliverbindung, legt sich Gold um das Eisenstück. «Weil Gold edler ist als Eisen», erklärt Mooslechner.

Die LGA bildet Galvanoingenieure aus. Großtechnisch wenden sie die Galvanisierung in der Industrie an. Allerdings nicht mit Gold: «Sie kennen zum Beispiel verchromte Stoßstangen oder Wasserhähne», erklärt Mooslechner dem Publikum. Das kurze Theaterstück zur Langen Nacht der Wissenschaften hat er sich gemeinsam mit Alchemist Manfred Hoos ausgedacht. Der ist im normalen Leben Fachlehrer für die LGA-Ausbildung.

Antonia und Raimund, beide 28 Jahre alt, haben sich durch das Teleskop der Nürnberger Sternwarte auf der Tour Nürnberg Ost die Sterne angesehen. Bereits zum dritten Mal sind die beiden bei einer Langen Nacht unterwegs. «Wir haben uns jedes Mal eine andere der Touren vorgenommen», erzählt Antonia. Vor zwei Jahren in Erlangen, heuer in Nürnberg. «Leider erwartet man immer sehr viel von den Ankündigungen im Programm und ist dann eher enttäuscht», sagt Raimund. «Man merkt schon, dass sich alle Stationen viel Mühe geben», sagt Antonia. «Aber die wirklich tollen Sachen sind immer total überfüllt.»

Eine «Late-Night-Show am Mikroskop» veranstalten die Angewandten Chemiker der Georg-Simon-Ohm Hochschule am Keßlerplatz. Martin Brehm und Julian Durmann schauen auch durch die Linse. «Da sieht man wie Halbedelsteine auf Säure reagieren», erklärt Brehm. Es ist schon die zweite Lange Nacht für den 21-Jährigen. Durmann, 19 Jahre alt, ist bereits zum dritten Mal mit dabei. Insgesamt sind die Schüler vom Evangelischen Gymnasium Nürnberg zu acht unterwegs. «Letztes Jahr haben wir mehr geschafft», sagt Durmann. «Da hat es mir besser gefallen.» In der Ohm-Hochschule haben sich die beiden außerdem die Geschmacksveränderung von Wasser erklären lassen. «Leitungswasser wurde nacheinander mit Kristallen, elektromagnetischen Wellen und einem Katalysator bearbeitet», erklärt Brehm. «Dadurch ist es unterschiedlich stark entkalkt worden. «Das dritte hat eklig geschmeckt», erinnert er sich.

«Wir haben 3D-Filme geschaut, ohne 3D-Brillen», erzählt Stefan Lauterbach. Geimeinsam mit Mama, Papa und großem Bruder hat der 10-Jährige auf der Tour Nürnberg West beim IT-Unternehmen Datev Halt gemacht. «Am besten haben mir dort die 3D-Computerspiele gefallen», sagt Stefan. «Da kam alles auf einen zugeflogen.» Eine spezielle Bildschirmoberfläche und unterschiedliche Perspektiven machen das möglich.

Den Sternenhimmel im Planetarium am Plärrer konnte die Familie leider nicht sehen. «Da war alles schon voll.» «Jetzt gehen wir noch mit der führerlosen U-Bahn fahren», erklärt der Papa, «und dann geht es nach Hause.»

Gernoth Gross dreht gerade seine letzte Runde. Den ganzen Abend fuhr der Busfahrer die Sonderlinie der Tour Nürnberg Ost. «Es war sehr angenehm», sagt er. «Es gibt einen großen Unterschied zur normalen Schicht. Da fahren mehr Betrunkene mit, die Fahrgäste heute waren dagegen alle an Wissenschaft interessiert.»

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