Mama und der ganze Verein fieberten mit Max Müller

25.8.2008, 00:00 Uhr

Kurz vor der Tür wurde Carla Müller aufgehalten. Man redete kurz auf sie ein und überzeugte sie zu bleiben. Den Rest des Spiels verfolgte sie abwechselnd im Stehen und in der Hocke. Als alle um sie herum die Schlusssekunden herunterzählten, stand Carla Müller regungslos da. Sie hatte den Kopf geneigt und ihre Augen starr auf die Leinwand gerichtet. Beim Schlusspfiff sprangen alle um sie herum auf, klatschten und jubelten. Carla Müller schlug die Hände vors Gesicht. Sie schüttelte den Kopf, und ihre Augen leuchteten. «Ich brauch’ nix mehr«, sagte sie und ging erleichtert nach draußen.

Das NHTC-Vereinsheim war schon eine halbe Stunde vor Anpfiff gut besetzt. Max Müllers Nürnberger Mannschaftskameraden, das Frauenteam, das Müller trainiert, und viele andere Vereinsmitglieder hatten sich die begehrten Plätze frühzeitig gesichert. Wer erst kurz vor Spielbeginn kam, musste sich mit einem Stuhl aus dem Nebenraum irgendwo dazwischenquetschen oder mit einem Stehplatz vorliebnehmen. «Ich hätte nicht gedacht, dass gar so viele kommen«, gab Abteilungsleiterin Susa Wesley zu.

Zuversicht bei Freundin Annalena

Die Stimmung im Klubheim war von Beginn an sehr zuversichtlich. Bei einem Tippspiel hatten 19 von 22 Tippern auf einen Sieg der Deutschen gesetzt. «Ich bin aufgeregt, aber sehr optimistisch und glaube, dass sie Gold holen«, sagte Müllers Freundin Annalena Abe, die das Spiel im weißen Nationaltrikot mit Müllers Rückennummer 4 verfolgte. Am Vormittag hatte sie mit ihrem Freund in Peking telefoniert: «Er hat gesagt, er sei nicht nervös. Aber das glaube ich ihm nicht. Vor so einem Spiel sind doch alle nervös.« Christopher Wesley, der Müller seit seiner Geburt kennt und mit ihm beim NHTC in der Bundesliga spielt, glaubte, «dass Max sich einfach nur auf das Spiel freut. Er ist vor wichtigen Spielen immer sehr konzentriert und strahlt viel Sicherheit aus. Das ist auf seiner Position im Abwehrzentrum sehr wichtig.«

Bei Spielbeginn herrschte im Vereinsheim angespannte Stille. Bei der ersten Schusschance durch Moritz Fürste ging ein Raunen durch den Raum, aber gleich danach war wieder Ruhe. Bis zur 16. Minute: Als Christopher Zeller den Ball zum 1:0 ins Tor der Spanier knallte, entlud sich die Spannung in einem Jubelschrei.

Annalena Abe gab zur Pause zu, dass sie wohl aufgeregter sei als die ganze Mannschaft. Und auch NHTC-Trainer Marijan Mrkonjic, der vor dem Spiel ganz entspannt wirkte, wurde nach der Führung immer nervöser. «Marijan hatte richtig Herzklopfen. Ich habe seinen Puls überprüft, das war schon fast bedenklich«, scherzte Abteilungsleiterin Wesley.

In der zweiten Halbzeit wuchsen Anspannung und Euphorie weiter. Bei der Doppelchance der Deutschen, die erst der spanische Torwart und dann der Pfosten zunichte machten, zuckten viele auf ihren Stühlen und hatten schon zum Torschrei angesetzt. Max Müllers Zweikämpfe und Ballgewinne quittierten seine Teamkollegen mit Aufatmen und Beifall.

Für eine ausgelassene Siegesfeier blieb den Zuschauern keine Zeit. Die erste Mannschaft des NHTC bestritt nämlich gleich im Anschluss ein Testspiel gegen Rot-Weiß München. Deshalb hörte man den ein oder anderen Spieler murren: «Wollen wir das Spiel nicht absagen und lieber einen trinken?« Aber Trainer Mrkonjic blieb hart: «Wir können erst das Spiel machen und danach etwas trinken. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.« Richtig gefeiert wird sowieso erst mit Max Müller. Wenn der Olympiasieger am Montagabend am Flughafen ankommt, wollen ihn Mitspieler und Freunde gebührend empfangen. Danach soll es eine Feier im kleinen Kreis geben.

Nach Spielende dauerte es eine Viertelstunde, bis Carla Müller anfing, sich richtig zu freuen. Sie hatte ein Glas Weißwein in der Hand und erzählte: «Max weiß genau, was er will. Er geht konsequent seinen Weg, und das scheint sich zu lohnen. Wenn solche Träume wahr werden, ist es ein unglaublich schönes Gefühl.«

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