Auswirkungen untersucht

Mann lässt sich über 200 Mal gegen Corona impfen: FAU veröffentlicht überraschendes Ergebnis

Johanna Mielich

Online-Redaktion

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5.3.2024, 05:00 Uhr
Insgesamt 217 Covid-Impfungen ließ sich ein Mann verabreichen - doch wie wirkt sich das auf sein Immunsystem aus? Diese Frage stellte sich die FAU. 

© Marijan Murat/dpa Insgesamt 217 Covid-Impfungen ließ sich ein Mann verabreichen - doch wie wirkt sich das auf sein Immunsystem aus? Diese Frage stellte sich die FAU. 

Mehr als 60 Millionen Menschen in Deutschland haben sich gegen Corona impfen lassen, der überwiegende Teil von ihnen mehrfach. Der Mann, den Forschende der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und des Uniklinikums Erlangen nun aber untersucht haben, übertrifft das um ein Vielfaches: Nach eigenen Angaben hat er sich aus persönlichen Gründen 217-mal vakzinieren lassen. 134 dieser Impfungen seien offiziell bestätigt, wie die FAU am Montag in einer Pressemitteilung berichtet.

"Wir sind durch Zeitungsberichte auf ihn aufmerksam geworden", erklärt Privatdozent Kilian Schober vom Mikrobiologischen Institut - Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene. "Wir haben dann zu ihm Kontakt aufgenommen und ihn eingeladen, sich in Erlangen diversen Tests zu unterziehen. Daran hatte er auch großes Interesse." Schober und seine Kolleginnen und Kollegen wollten vor allem wissen, welche Folgen eine solche Hypervakzinierung hat.

Ermüden die Abwehrzellen?

In der Regel enthalten Impfstoffe Teile des Erregers oder aber eine Art Bauanleitung, mit denen die Zellen der Geimpften diese Erreger-Bausteine selbst produzieren. Durch diese sogenannten Antigene lernt das Immunsystem im Falle einer späteren Infektion den eigentlichen Erreger zu erkennen. "Es kann dann schneller und schlagkräftiger reagieren", erklären die Wissenschaftler der FAU. Doch was passiert, wenn die körpereigene Abwehr sehr oft einem spezifischen Antigen ausgesetzt wird?

"Das kann etwa bei einer chronischen Infektion wie HIV oder Hepatitis B der Fall sein, die immer wieder aufflackert", sagt Schober. "Es gibt Hinweise darauf, dass bestimmte Arten von Abwehrzellen – die T-Zellen – dann ermüden. Sie schütten dann beispielsweise weniger Botenstoffe aus." Solche und andere Gewöhnungs-Effekte könnten die Folge haben, dass das Immunsystem den Erreger dann nicht mehr so effektiv bekämpfen kann.

Blutproben aus verschiedenen Jahren untersucht

In der aktuellen Studie, an der auch Forschende aus München und Wien beteiligt waren, fanden sich dafür jedoch keine Anhaltspunkte, wie es in der Mitteilung heißt. "Der Betroffene hat sich in den letzten Jahren häufiger verschiedenen Bluttests unterzogen", erklärt Schober. Mit diesen Proben konnten die Forschenden die direkte Reaktion des Immunsystems auf die Impfung nachvollziehen.

Ergebnis: Der Proband verfügte über eine große Menge sogenannter T-Effektorzellen gegen SARS-CoV-2. Sie gelten als körpereigenen Soldaten, die gegen das Virus kämpfen. Gegenüber einer Vergleichsgruppe von dreifach geimpften Personen war ihre Anzahl sogar erhöht und auch eine Ermüdung der Zellen konnten die Forschenden nicht feststellen.

Auch 217. Impfung zeigte noch Wirkung

Auch die T-Gedächtniszellen, die ähnlich wie Stammzellen, immer wieder für Nachschub an passenden Effektorzellen sorgen, haben die Wissenschaftler unter die Lupe genommen. "Die Zahl der Gedächtniszellen war bei unserem hypervakzinierten Probanden genauso hoch wie in der Vergleichsgruppe", erklärt Katharina Kocher, eine der beiden Erstautorinnen der Studie. "Insgesamt fanden wir also keine Anzeichen für eine schwächere Immunantwort – eher im Gegenteil." Überraschenderweise zeigte selbst die 217. Impfung, die der Mann während der Studie hatte vornehmen lassen, noch Wirkung: Die Zahl der Antikörper gegen das SARS-Coronavirus 2 erhöhte sich durch sie ebenfalls deutlich.

Immunsystem auch gegen andere Erreger weiter aktiv?

Stellt sich nun die Frage, wie das Immunsystem auf andere Erreger als das Coronavirus reagiert. Auch dem sind die Forschenden mit weiteren Tests nachgegangen. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass die Funktion des Immunsystems gegen andere Erreger unverändert blieb.

"Unser Proband wurde mit insgesamt acht verschiedenen Vakzinen geimpft, darunter auch verschiedenen verfügbaren mRNA-Impfstoffen", sagt Schober. "Die Beobachtung, dass es trotz dieser außerordentlichen Hypervakzinierung nicht zu erkennbaren Nebenwirkungen gekommen ist, steht im Einklang mit der grundsätzlich guten Verträglichkeit der Präparate." Allerdings handele es sich um einen Einzelfall, konstatiert der Wissenschaftler. Weitreichende Schlüsse oder gar Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung ließen sich aus den Ergebnissen also nicht ableiten. "Nach heutigem Kenntnisstand bleibt eine dreimalige Impfung und gegebenenfalls eine regelmäßige Auffrischung bei vulnerablen Gruppen die Vorgehensweise der Wahl".

Die Ergebnisse der Studie erscheinen in der Fachzeitschrift "Lancet Infectious Diseases".