Massive Kritik der Baubranche an der Stadt Nürnberg

27.7.2018, 05:40 Uhr
Massive Kritik der Baubranche an der Stadt Nürnberg

© Roland Holschneider/dpa

Obermeister Harald Hubert und Geschäftsführer Klaus Haller reagieren auf einen Bericht unserer Zeitung über Verzögerungen von Bauprojekten, etwa beim Künstlerhaus. Baureferent Daniel F. Ulrich und Bürgermeister Christian Vogel monierten zu hohe Preisforderungen der Baubranche. Zudem beklagten sie, dass auf städtische Ausschreibungen immer weniger ernst gemeinte Angebote eingereicht würden.

"Dadurch wird – auch um von Fehlentwicklungen der letzten Jahre bei der Stadt Nürnberg abzulenken – der Eindruck erweckt, die Bauunternehmen würden versuchen, sich auf Kosten der Stadt die Taschen vollzustopfen. Dem ist entschieden zu widersprechen", schreiben Hubert und Haller in einer Stellungnahme. Ulrich und Vogel seien doch eigentlich schon lange genug im Geschäft, dass sie folgende Tatsachen kennen müssten, so die Innungsvertreter.

Die Kostenschätzungen der Stadt, die einer Ausschreibung zugrunde gelegt würden, seien üblicherweise zwei bis drei Jahre alt. So lange benötigten die städtischen Baubehörden, um ein Projekt bis zur Auftragsvergabe zu bringen. In dieser langen Zeit sei in der Baubranche laut Innung unter anderem Folgendes geschehen:

  • Die reinen Lohnkosten (ohne Lohnnebenkosten) sind in den vergangenen drei Jahren durch Tariferhöhungen um 13,5 Prozent gestiegen. Rechnet man richtigerweise die Lohnnebenkosten mit ein, so ist der Lohnaufwand der Baufirmen heute um über 15 Prozent höher als vor drei Jahren.
  • Noch drastischer ist der Anstieg der Materialpreise: Hier haben sich beispielsweise 2017 die Preise für Bitumen um über 20 Prozent, für Baustahl um 15 Prozent, für Mineralölerzeugnisse um über zehn Prozent sowie für Dämmstoffe um knapp zehn Prozent und im ersten Halbjahr 2018 um weitere drei Prozent erhöht.
  • Der bei jedem Neubau und im Straßenbau anfallende Bodenaushub muss aufgrund des Inkrafttretens neuer Umweltschutzvorschriften aufwendig beprobt und in aller Regel über weite Strecken zu Deponien gefahren werden. Der Aufwand dafür ist zum Teil über 100 Prozent höher als im Jahr 2015.
  • Die zunächst nur für Autobahnen geltende Lkw-Maut wurde 2015 verteuert und 2018 auf alle Bundesstraßen ausgeweitet. Das transportintensive Baugewebe ist davon naturgemäß besonders stark betroffen.
  • Am 1. Januar 2019 treten in Nürnberg die Vorschriften der Baumaschinen-Verordnung in Kraft. Dann dürfen im Stadtgebiet nur noch besonders schadstoffarme Baumaschinen eingesetzt werden. Die für die Stadt tätigen Baufirmen müssen deshalb hohe Investitionen für Neuanschaffungen und Nachrüstungen tätigen.

"All diese Kostensteigerungen müssen die Firmen in ihre Preise einkalkulieren", betonen Hubert und Haller. "Man sollte meinen, dass dies mehr als plausibel erklärt, warum die aktuellen Angebotspreise der Baufirmen dann durchaus auch einmal mehr als zehn oder 20 Prozent über den auf veralteten Zahlen basierenden Preisvorstellungen der Stadt liegen können."

Laut Statistischem Bundesamt habe sich das Bauen seit 2000 um rund 46 Prozent verteuert. Davon sei jedoch nicht einmal die Hälfte, nämlich nur 22,7 Prozent, auf die reinen Baukosten einschließlich Nebenkosten zurückzuführen. Die zweite Hälfte der Preissteigerung, gut 23 Prozent, sei durch die deutlich höheren Grundstückskosten, die Verschärfung staatlicher Vorschriften (etwa Brandschutz, Schallschutz, Energieeinsparung) und durch Vorgaben der Kommunen (Stellplätze und so weiter) verursacht.

"Stadt zählt nicht zu den attraktivsten Auftraggebern"

"Vor diesem Hintergrund dann mit dem Finger auf die Unternehmen zu zeigen und von Mondpreisen oder überteuerten Angeboten zu sprechen, das ist schon dreist!" Hubert und Haller legen noch nach. "Die Stadt zählt beileibe nicht zu den attraktivsten Auftraggebern, die sich ein Bauunternehmen vorstellen kann." Qualitativ schlechte Ausschreibungen, extrem hohe Bürokratie, suboptimale Zusammenarbeit, teilweise selbstherrliche Bauüberwacher und eine nicht immer zufriedenstellende Zahlungsmoral führten dazu, dass man sich als Bauunternehmer lieber anderen Auftraggebern zuwende, wenn man, wie im Moment, die Gelegenheit dazu habe.

Quantitativer und qualitativer Personalmangel in der städtischen Bauverwaltung habe über viele Jahre hinweg zu einem Verlust der erforderlichen Auftraggeberkompetenz geführt. "Doch anstatt darüber zu lamentieren, sollten sich die Behördenchefs bei ihrem Dienstherren dafür einsetzen, ausreichend qualifiziertes Personal zu bekommen, und nicht versuchen, den Schwarzen Peter den örtlichen Baufirmen zuzuschieben."

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