Meteoriten faszinieren Experten und Schwindler

25.3.2012, 11:00 Uhr
Meteoriten faszinieren Experten und Schwindler

© NHG

„Meteoriten glühen, wenn sie in die Erdatmosphäre eintauchen. Da sausen sie in einer Höhe von 160 bis 120 Kilometern Höhe über uns hinweg. Und zwar mit einem Tempo von 20 bis 70 Kilometern in der Sekunde.“ Der Eintritt in die Atmosphäre bewirkt eine ungeheure Abbremsung. Fürchterliche physikalische Kräfte rütteln an dem Meteoriten, so dass er zerbröselt und meist komplett verglüht. Erst bei einem Eintrittsgewicht von zwei bis drei Zentnern bleibt noch Restmasse übrig, die auf dem Boden aufschlägt.

Zwischen Mars und Jupiterlassen es die Asteroiden krachen

Ist die Restmasse abgebremst und dringt sie in die tieferen Luftschichten ein, hört sie auf zu glühen. Die Feuerkugel erlischt, doch der Stein saust weiter und wird vom Wind abgedriftet. Schließlich fliegt er steil nach unten und schlägt auf. „Und zwar zig Kilometer vom Betrachter entfernt.“ Aber wenn der Meteorit doch beim Betrachter runterkommt? „Die Feuerkugel taucht am Horizont auf, kommt auf Sie zu und steigt dabei am Himmel hoch bis zum Zenith. Wenn sie da oben dann erlischt, haben Sie noch ein paar Sekunden Zeit, beiseite zu treten. Denn dann kommt die Kugel direkt auf Sie hinunter.“

Wo kommen die Feuerkugeln überhaupt her? Aus der Schar der Asteroiden, die zwischen Mars und Jupiter kreisen. Immer wieder kollidieren Asteroiden und jagen ihre Splitter ins All hinaus, manche in Richtung Erde. Die Chance, von einem Meteoriten erschlagen zu werden, ist geringer als ein Lottogewinn.

Doch der Himmel gibt sich Mühe: 1962 krachte ein Himmelskörper in Kiel auf ein Blechdach, 1984 sauste eine himmlische Eilsendung in eine US-Postbox, und 1992 durchschlug im Staat New York ein Stein ein geparktes Auto. Daneben brüsten sich Gärtner, ein Meteorit hätte ihre Laube abgefackelt, doch diese Geschichten entlarvt Dieter Heinlein als Lüge: „Ein Meteorit ist immer kalt.“ Wie erkennt man überhaupt einen Meteoriten? „Er ist sehr eisenhaltig, fängt daher bald zu rosten an und ist magnetisch. Unter einer hauchdünnen Schmelzkruste ist er vollkommen intakt und enthält kleine Kügelchen, die Chonditen.“

Da bewundert man also in klaren Sommernächten die Flugbahn von Feuerkugeln und erhält Anrufe aufgeregter Beobachter. Aber wo ist denn nun der Meteorit runtergegangen? Dafür hatte man schon vor Jahrzehnten in Europa das Feuerkugelnetz installiert. Allein in Deutschland befinden sich strategisch verteilt 15 Kamerastationen. Auf freien Wiesen steht eine Plattform, ähnlich dem Hochsitz eines Jägers. Darauf liegt ein Parabolspiegel und genau über diesem hängt ein Fotoapparat. Der fotografiert per Langzeitbelichtung auf klassischem Film den Nachthimmel im Spiegel.

„Das Foto zeigt dann ein Rundbild vom Himmel“, erläutert Heinlein. „Der Rand ist der Horizont, der Punkt in der Mitte die Kamera, der feste Lichtpunkt oben der Polarstern, und die Kreisbahnen sind die Sterne. Ab und zu durchschneidet eine gleißend helle Lichtbahn den Himmel. Wenn man die Aufnahmen dieser Nacht von allen Kameras vergleicht, kann man aus den verschiedenen Winkeln der Lichtbahn und den Standorten der Kameras die genaue Flugbahn ermitteln. Und den ungefähren Aufschlagsort.“

Von 1959 bis 2000 gelang dies erst bei drei Meteoriten. Doch am 6. April 2002 erfüllte sich der Traum aller Sterngucker: Eine Feuerkugel raste binnen vier Sekunden über die österreichischen Alpen, ihr Lichtschein war noch in Hannover zu sehen. Die Auswertung der Kameras ergab eine Bahn, die von Südwest nach Nordost zielte. Die Kugel begann über Hall in Tirol zu leuchten und zog ihre Feuerspur über Mittenwald und Garmisch-Partenkirchen, bis sie bei Neuschwanstein erlosch. Anfragen beim Wetteramt ermittelten starken Gegenwind aus Nordost. Damit war das Einschlagsgebiet bestimmt, aber immer noch groß genug.

Am nächsten Tag waren die Zeitungen voll, eine Frau aus Freising fand einen merkwürdigen Klumpen in ihrem Garten, und ein Professor hielt ihn triumphierend in die TV-Kamera. „Der Mann hatte eine C3-Professur - und der Brocken entpuppte sich als Teerklumpen“, seufzt Heinlein.

Drei Monate später fand ein junger Mann bei Neuschwanstein einen Stein. Der war leicht angerostet, magnetisch und barg noch genügend zerfallende Radio-Isotope. Damit war klar: Das ist der Meteorit, den man auf den wohlklingenden Namen „Neuschwanstein“ taufte.

Wem gehört ein Meteorit? Dem Finder? Dem Staat? Der Wissenschaft? Bald entbrannte ein Rechtsstreit zwischen dem Freistaat Bayern und dem Finder, der gütlich beigelegt wurde. Der Finder erhielt eine Abfindung und das gute Stück ruht seitdem unter einer Stickstoff-Glocke im Rieskrater-Museum von Nördlingen. „Sonst würde er in einigen Jahrzehnten zu Rost zerfallen.“

Monate später fanden zwei Männer ein zweites Bruchstück. Diesmal erhob der Freistaat keine Ansprüche mehr; die Finder zersägten den Brocken und verkauften die Scheiben an wissenschaftliche Institute für ein Heidengeld. Ein dritter Brocken tauchte in Österreich auf. „Zusammen haben die Bruchstücke einen Wert von einer Million Euro“, schätzt Heinlein.
 

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