Mit 101 Jahren flink durch die Klinikflure

9.3.2017, 19:36 Uhr
Mit 101 Jahren flink durch die Klinikflure

© Fotos: privat

Jeden Dienstag und Donnerstag hören die Mitarbeiter und Patienten des Stanford Hospitals in Palo Alto die drei Liter-Maschine des alten Buicks blubbern. Am Parkplatz angekommen, steigt eine Dame aus. Rot gekleidet.

Es dauert ein wenig, bis sie sich aus dem weichen Sitz erhebt und die Tür des klassischen US-Cars mit dem markanten Kühlergrill geräuschvoll ins Schloss fallen lässt. Dann aber setzt sie ihren Weg mit betont schnellem Schritt in Richtung des Klinik-Eingangs fort — so, als wäre sie nicht eben erst 101 Jahre alt geworden.

Lilafarbene Lutscher

Martha Bachmann ist eine echte Fränkin. Geboren in Nürnberg, aufgewachsen in Dinkelsbühl. Als Kind, 1926, wanderte sie mit ihrer Familie in die USA aus, gründete dort selbst eine Familie. 1949 wurde Ute Roth geboren — und Tante Martha, wenngleich über 8000 Kilometer weit entfernt, war immer präsent.

Noch heute gerät Ute Roth ins Schwärmen, wenn sie von den "Lila Lollipops" berichtet, die Tante Martha ihr einst geschickt hat. Lilafarbene Lutscher, mit einem Geschmack, den Ute Roth auch jetzt auf der Zunge spüren kann. Oder die Sommerkleidchen, die Martha ihr und ihrer Schwester geschickt hatte. "Die schönsten, die wir jemals hatten", erinnert sich Ute Roth. Weiß mit Silber. Die mussten sie gleich tragen — auch wenn es Winter war.

Seit 1963 ist Tante Martha eine "Pink Lady" im Stanford Hospital — das, was in Deutschland "Grüne Damen" sind, Helfer im Krankenhausbetrieb. Einen schweren Wagen schiebt sie durch die Krankenhausflure von Zimmer zu Zimmer. Lächelnd, immer lächelnd. Eigentlich bräuchte sie mittlerweile einen Stock, sagt Ute Roth, aber mit dem Wagen kaschiert sie das ganz gut.

Geladen hat sie für den Verkauf T-Shirts, Mützen, Kosmetikartikel, Stofftiere — "es ist der beste Job, den man haben kann", sagte sie kürzlich. "Ich bringe den Leuten Freude."

Ihr Lieblingsweg führt in den Trakt "F", der am weitesten entfernt gelegene. Dort sind die Neugeborenen und Tante Martha schenkt jedem von ihnen eine Mütze, die sie selbst gestrickt hat.

Und da sind auch die traurigen, die berührenden Momente. Aber die gebürtige Nürnbergerin sieht es als ihre Aufgabe, eine positive Grundstimmung in die Klinik zu bringen.

Überhaupt: Ute Roth kann sich nicht erinnern, dass Tante Martha jemals geklagt hätte. Mit 101 Jahren lebt sie allein, ihr Haus wurde gerade umfassend renoviert. Einen Sturz im vergangenen Jahr hat sie gut weggesteckt. Lieber spricht sie dann von ihrem Auto, das hoffentlich noch lange hält — trotz seiner 28 Jahre, die es auf der Kühlerhaube hat.

Auch wenn sie sich lange nicht gesehen haben — Ute Roth und Martha Bachmann wissen, was sie aneinander haben. "Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an Dich denke", schreibt Tante Martha. "Danke for everything", schreibt Ute Roth zurück.

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