Mit Pinguinen auf du und du

19.12.2006, 00:00 Uhr
Mit Pinguinen auf du und du

Der Schüler aus dem Nürnberger Süden ist einer von drei Praktikanten, die diese Woche hinter die Kulissen des Tiergartens blicken. Für das Betriebspraktikum am Schmausenbuck können sich nicht nur Studenten, sondern auch Schüler ab 14 Jahren bewerben. Die Plätze sind begrenzt und, da sie sehr begehrt sind, in der Regel über lange Zeiträume ausgebucht.

Praktikanten in der Zootierpflege gibt es in ganz Deutschland. «Wir machen das, weil Auszubildende aus Mittelfranken auch die Möglichkeit haben sollen, ein solches Praktikum bei Bewerbungen vorzuweisen“, erläutert der stellvertretende Tiergartendirektor Helmut Mägdefrau.

Stefan hatte Glück. Während seine Klassenkameraden gerade in Büros oder Produktionshallen sitzen, darf er an diesem sonnigen Wintertag die Pinguine füttern. Tags zuvor war er im Tropenhaus eingeteilt. Dort hat er sich um das Wohlergehen von Seekühen und Pinselohrschweinen gekümmert. Heute ist der dritte Tag. Stefan ist der Tierpflegerin Petra Böse zugeordnet, die ihm zeigt, wie man Vitamintabletten hinter die Kiemen toter Fische klemmt. Die helfen natürlich weniger dem Fisch, sondern dem Pinguin, der den Happen samt Tablette frisst.

Mit Fischen kennt sich der Schüler aus. Er ist mit seiner Familie oft beim Angeln, erzählt er. Außerdem seien sie seine Lieblingstiere, vor allem ausländische Fischarten.

Die Wahl einer bestimmten Tierart ist bei einem Zoopraktikum nicht möglich. Menschenaffen und Raubtiere stünden dann sicher ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Aber solche Tiergarten-Bewohner sind für Praktikanten tabu. «Zu gefährlich“, sagt Helmut Mägdefrau. «Wenn einer unbedingt will, kann er mal ins Raubtierhaus reingucken“, so Tierpflegerin Böse. Immer vorausgesetzt, «der Personalstand stimmt“.

Petra Böse hat gute Beziehungen zum Raubtierhaus. Ihr Mann arbeitet dort. Auch sie selbst hat vor 27 Jahren ihre Berufskarriere bei den Raubkatzen begonnen. «Tierpflege war früher eigentlich ein Männerberuf.“ Der Job sei körperlich anstrengend. Volle Schubkarren oder schwere Kübel gehörten zum Alltag, erklärt Böse und erwähnt die Rückenschmerzen, die sie oft plagen.

Turbo-Vitamine aus dem Fischeimer

Ob Mann oder Frau das Futter bringt — das ist den Tieren letztlich egal. Auch den Pinguinen, die mittlerweile Stefan und vor allem dessen Fischeimer aufmerksam beäugen. Der Junge geht in die Hocke. Ein paar «befrackte“ Vögel nähern sich vorsichtig und holen sich ihren Turbo-Vitamin-Fisch ab. «In der Schule haben wir Pinguine noch nicht durchgenommen“, bemerkt der Schüler nachdenklich. Dafür bekommt er jetzt mitten im Pinguin-Gehege unmittelbaren Anschauungsunterricht.

«Hier kommt Alex“, sagt Petra Böse, und man meint fast, die Toten Hosen singen zu hören. Alex ist eine so genannte Handaufzucht und besonders zahm. Schon als Jungtier war der Humboldtpinguin an Menschen gewöhnt. «Man kann ihn eher streicheln als die Anderen. Die hacken da schon mal“, erklärt die Tierpflegerin, die in Gedanken bereits den Erwachsenen-Geburtstag am Nachmittag plant. Stefan wird ihr assistieren, wenn die Großen zum Feiern kommen. Sollte Alex dann «schlecht drauf“ sein, gibt es statt Pinguinstreicheln eben eine Tüte mit Federn.

300 Bewerbungen für gerade mal drei Lehrstellen

«Ich könnte mir vorstellen auch Tierpfleger zu werden“, sagt Stefan und Petra Böse strahlt. Kein schlechtes Kompliment von einem 14-Jährigen, dem nach dem zehnstündigen Arbeitstag abends die Füße weh tun. Die Chancen auf eine Lehrstelle sind jedoch gering. 300 Bewerbungen gehen im Schnitt beim Nürnberger Tiergarten für drei Lehrstellen ein.

Dabei sind nicht nur gute Noten wichtig, sagt Petra Böse: «Ein praktischer Mensch ist mir lieber als einer, der theoretisch viel weiß und nicht sieht was los ist.“ Sitzt der Brillenbär nämlich einmal auf der Mauer, statt wie üblich dahinter, können nur noch Intuition und gesunder Menschenverstand die Situation retten.

«Der Stefan ist keiner, dem man viel sagen muss“, lobt die Tierpflegerin ihren Schützling. Das wird sie auch in seiner Beurteilung am Ende des einwöchigen Praktikums vermerken. «Er passt auf und schließt sorgfältig die Tür. Bei anderen muss ich manchmal auf Schritt und Tritt hinterher sein.“ Da komme sie buchstäblich kaum über die Runde, sagt Böse mit einem Seufzer. Die Tierpflegerin zückt ihre Schlüssel, die tägliche ungezählte Male zum Einsatz kommen. Die Pinguine sind nun versorgt. Abends wird Strom auf den Elektrozaun des Geheges gelegt, als Schutz gegen die Füchse aus dem Reichswald, vor denen selbst ein Pinguin kalte Füße bekommt.

Mit dem Elektroauto rollen Böse und ihr Praktikant zur nächsten Aufgabe: große Fütterung im Papageienhaus. Zuerst müssen dort die Volieren sauber gemacht werden. Dazu treibt Böse die Aras mit einem Besen ins Außengehege. Die quittieren den Rauswurf mit lautem Gezeter. Das sei eine Vorsichtsmaßnahme, erklärt die Expertin und blickt auf Stefans Füße. «Die picken nämlich genau über dem Schaft der Halbschuhe.“ Gummistiefel seien da besser.

Stefan ist schon wieder beschäftigt. Er füllt frisches Wasser, Obst und Gemüse in die Schalen. Leckereien wie Nüsse und Samen bekommen die Papageien erst später. Sonst bleibt das gesunde Futter links liegen. Nicht nur in ihren Fressgewohnheiten wirken die südamerikanischen Vögel irgendwie menschlich. Der eine mag kein Weibchen neben sich leiden, und die Gelbbrustaras haben sich in Ausbruchstimmung kürzlich sogar durch den Zaun gebissen. Petra Böse kennt alle ihre Macken.

Vor der Mittagspause geht es noch kurz zur Aufzuchtstation. Ein Bereich, den der normale Tiergartenbesucher nicht zu Gesicht bekommt. Petra Böse sieht nach einer jungen Großtrappe, die dort großgezogen wird. Stefan darf sie mit Mehlwürmern füttern. Emsig pickt der Jungvogel abwechselnd an den Würmer und an Stefans Jeans. Der ist in die Hocke gegangen und lässt es sich kichernd gefallen. «Das ist viel schöner als Schule“, meint er schließlich und schafft es, der Trappe kurz über das Gefieder zu streicheln. «Da ist man ein wenig nützlich.“ Lioba Schafnitzl

Keine Kommentare