Nach Angriff auf AfD-Mann: Freispruch für Studenten

21.12.2016, 06:00 Uhr

Es ging alles ganz schnell: Am 9. April verteilte die Alternative für Deutschland (AfD) am Hallplatz Flugblätter, plötzlich rannten rund zwei Dutzend linke Aktivisten auf den Info-Stand zu. Mit einem Drahtzaun wollten sie die AfD-Anhänger eingrenzen, um symbolisch jene Grenze zu ziehen, die von der Partei gefordert wird.
Fest steht: Bei der Aktion kam es zu einer Tätlichkeit. Nach einem der Männer am AfD-Stand wurde mit der Faust geschlagen - doch dem 25-Jährigen, einem kräftig gebauten Hünen, gelang es, den Treffer mit seiner Hand abzuwehren. Er prellte sich dabei den Mittelfinger, zeigt jedoch keinerlei Interesse an einer Strafverfolgung.

Doch fest steht auch: Diesen Faustschlag hat der Angeklagte, ein 21-jähriger Student, nicht zu verantworten. Bereits zu Prozessbeginn schilderte der damalige Einsatzleiter der Polizei im Zeugenstand, dass er während des Schlagabtauschs neben dem Angeklagten stand. Und deshalb sah er auch, dass die Attacke von einem ganz anderen Mann, der Polizist kennt ihn namentlich, ausging. Dass er den Studenten unter all den linken Aktivisten verwechselt, ist ausgeschlossen: Die beiden Männer trafen bereits bei einer früheren Demo im Februar 2015 aufeinander – damals versuchte der Student, eine Polizeikette zu durchbrechen, schlug dem Polizisten in den Magen und wurde dafür verurteilt.

Entscheidener Hinweis

Ausgerechnet dieser Polizist präsentiert am zweiten Prozesstag die entscheidenden Hinweise, die den Angeklagten entlasten: Er hat einen kurzen Videofilm dabei, aufgezeichnet vom Beweissicherungstrupp der Einsatzkräfte. Nicht alles, was sich am 9. April 2016 an dem AfD-Stand abspielte, ist zu sehen, eine Nahaufnahme der Schlägerei findet sich nicht. Doch die Bilder sind eindeutig: Der Einsatzleiter hielt den angeklagten Studenten bereits am Kragen fest, als es – rund fünf Meter entfernt – zu dem Übergriff am Info-Stand kam.

Doch wieso fehlte der entlastende Videofilm in den Akten? Er habe die DVD mit den Videosequenzen, so erkärt der Polizist, der die Beweismittel an die Staatsanwaltschaft gab, für "nicht relevant" gehalten. Schließlich zeige der Film die Schlägerei nicht – jedoch verdeutlicht der Film die Unschuld des Studenten. Und dieser entlastende Hinweis wäre dringend nötig gewesen, entging dem Beamten doch ein weiterer Widerspruch: Unmittelbar nach der Tat hatten der Einsatzleiter und der Geschädigte selbst bereits einen anderen Mann als Angreifer im Visier. Erst Tage später änderten der Geschädigte sowie eine weitere Zeugin in ihrer Vernehmung bei der Polizei ihre Angaben. Ihnen wurde ein Foto vorgelegt – und nun glaubten sie, in dem Studenten den Angreifer wiederzuerkennen.

Richter Richard Pruy spricht den Angeklagten daher frei, die Kosten trägt die Staatskasse. Der Prozess war unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen geführt worden, da ein Aufeinandertreffen der politischen Lager im Saal befürchtet wurde. Zwei Zuhörer hatten mit ihren Mitschriften provoziert, ihre Notizen wurden beschlagnahmt und können wieder ausgehändigt werden, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Auch die Personalien der Zuhörer wurden vor dem Sitzungssaal kopiert: Doch diese Daten ließ der Richter anschließend vernichten.