Nach Prostituierten-Morden: Noch keine Unruhe in der Szene

7.6.2017, 05:53 Uhr
Zwei Gewaltverbrechen haben die Rotlicht-Szene in Nürnberg in Aufruhr versetzt. Doch viele Prostituierte  nehmen die Situation bislang gelassen.

© Patrick Seeger/dpa Zwei Gewaltverbrechen haben die Rotlicht-Szene in Nürnberg in Aufruhr versetzt. Doch viele Prostituierte nehmen die Situation bislang gelassen.

Von Unruhe oder Angst sei nichts zu spüren, sagt Sandra Ittner von Kassandra, die mit ihren Kolleginnen Ansprechpartnerin für die in Nürnberg arbeitenden Prostituierten ist. "Wir erreichen rund 1000 Frauen mit unserer Arbeit", so Ittner. Das ist der größte Teil der Sexarbeiterinnen: Die Polizei geht davon aus, dass übers Jahr verteilt rund 1300 Frauen im Gewerbe tätig sind, manche von ihnen sind allerdings nur für zwei, drei Monate in der Stadt. Fast alle arbeiten selbstständig in den rund 60 Clubs und Bordellen und 180 Modellwohnungen.

92 Prozent sind Ausländerinnen, die meisten kommen aus Rumänien und anderen osteuropäischen Ländern, etliche auch aus Thailand und Afrika. Vermutlich sei das einer der Gründe, warum sich unter den Frauen die Aufregung über die beiden Tötungsdelikte offenbar noch in Grenzen hält, sagt Polizeisprecherin Elke Schönwald. "Aufgrund sprachlicher Barrieren werden das noch gar nicht alle wissen." In den nächsten Tagen will die Polizei verstärkt im Milieu ermitteln, um Hinweise zu bekommen. Das hätte dann gleichzeitig einen Warneffekt, sagt Schönwald, deren Kolleginnen die Betriebe ohnehin regelmäßig kontrollieren und dabei ihre Visitenkarte hinterlassen, falls eine Frau Probleme hat.

Doch Zwangsprostitution wird in Nürnberg nur selten aktenkundig, Schönwald spricht von fünf bis sieben Fällen pro Jahr. Das deckt sich mit den Beobachtungen von Kassandra. "Wir setzen sehr stark auf Prävention und klären die Frauen über ihre Rechte und Pflichten auf", betont Ittner. Prostituierte, die selbstbestimmt arbeiten und ihr Gewerbe offiziell anmelden, seien am besten vor Übergriffen geschützt, weil sie sich nicht erpressbar machten. "Wir zeigen die Vor- und Nachteile auf und weisen auch darauf hin, dass es allein schwieriger sein kann, als wenn mehrere Frauen in einer Wohnung sind."

Ittner glaubt nicht, dass der ab 1. Juli gesetzlich vorgeschriebene Notruf in Modellwohnungen für hundertprozentige Sicherheit sorgen kann. "Übergriffe wird es trotzdem geben." Und auch wenn sie nicht von Zwangsprostitution sprechen will, das Wort "Armutsprostitution" trifft aus Sicht der Fachfrau häufiger zu, gerade bei den Osteuropäerinnen, die von ihrem Lohn oft noch die Familie in der Heimat ernähren. Damit ließen sich Frauen unter Druck setzen, weiß Schönwald. "Viele wollen nicht, dass ihre Familien wissen, was sie hier tun."

Natürlich gebe es Fälle, in denen Frauen in die Prostitution gezwungen werden, sagt Alicia Königer von der Beratungsstelle Jadwiga. Oft würden sie als Flüchtlinge ins Land geschleust und mit falschen Versprechungen hergelockt. "Die Dunkelziffer in diesem Bereich ist hoch."

In den vergangenen Wochen hatten zwei Gewaltverbrechen im Prostituierten-Milieu für Aufsehen gesorgt. Eine 22-jährige Prositituierte aus Rumänien war am vergangenen Mittwoch tot in einer Modellwohnung entdeckt worden. Am vergangenen Montag wurde dann in der Höfener Straße in Nürnberg eine weitere Frau tot aufgefunden.

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