Nach Sturm "Sabine": Lebensgefahr im Reichswald

21.2.2020, 05:46 Uhr
Während die Region von "Sabine" größtenteils verschont wurde, walzte der Orkan an mehreren Stellen im Reichswald alles nieder.

© Roland Fengler Während die Region von "Sabine" größtenteils verschont wurde, walzte der Orkan an mehreren Stellen im Reichswald alles nieder.

"Meine Urgroßmutter hat den Wald mit in den Betrieb gebracht", sagt Doris Greul-Leuzmann. Die Kreisbäuerin steht in ihrem Wald zwischen Kornburg und Katzwang – beziehungsweise mitten in dem, was von dem Wald noch übrig ist. "Sabine" hat hier reihenweise Bäume gefällt. Einige hängen noch mit der Krone an anderen Bäumen fest. Andere sind durcheinander gefallen und stehen wie Katapulte unter Spannung. Die Tage der Kiefern, die jetzt noch einsam in den Himmel ragen, sind gezählt. Allein kann die Baumart nicht bestehen. "Kein Durchgang, Lebensgefahr" steht an einer anderen Ecke auf dem Waldboden. Rot-weißes Flatterband markiert eine Stelle, an der schon bei einer leichten Böe ein riesiger Baum umkippen könnte. Mitten auf einen Weg, der normalerweise gern von Fußgängern genutzt wird.


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Als "Sabine" vor knapp zwei Wochen über Franken wütete, warnten Förster bereits, dass es auch nach einem Abflauen des Windes in den Wäldern gefährlich ist. Zu leicht könnten angeknackste Äste fallen. Zu leicht beschädigte Bäume doch noch kippen. Nur: Schon wenige Tage später geriet die Gefahr in Vergessenheit. Der Reichswald rund um Nürnbergs Siedlungen im Süden ist an Wochenenden ein beliebtes Ausflugsziel – auch am vergangenen Wochenende tummelten sich hier schon wieder Spaziergänger. Ein Ausflug in den Wald? "Wenn unten Holz liegt, dann gehen Sie nicht rein", sagt Forstdirektor Peter Pröbstle. Man könne dann nämlich absolut sicher sein, dass in den Kronen noch Sachen liegen. Ebenfalls lebensgefährlich: über gefallene Bäume kraxeln – sie könnten nach oben schnalzen und einen locker 15 Meter weit werfen.

Nur: Wenn der Wald in Nürnbergs Süden so gefährlich ist, wie soll man ihn jetzt wieder aufgeräumt bekommen? Erst am Samstag wurde eine Person unter einem Baum eingeklemmt und schwer verletzt. "Ich gehe auf keinen Fall händisch ran", sagt Martin Vogel. Sein Wald wurde ebenfalls teilweise von "Sabine" gerodet. Der Landschaftspfleger hat Erfahrung – und genau deshalb lässt er es auch bleiben, selbst die Motorsäge zu benutzen. Die Sturmschäden sind ein Fall für schwere Maschinen. Harvester, in denen Profis aus sicherer Entfernung zu den zu fällenden Bäumen arbeiten können – und dabei in einem Schutzkäfig sitzen.

Holz kaum noch etwas wert

Freilich: Der Einsatz solcher Maschinen ist teuer. "Der Schutz von Menschenleben ist aber wichtiger", sagt Vogel. Jedoch nicht nur der Einsatz von Spezialgerät trifft die Waldbesitzer hart. Auch das Holz, das nun beschädigt am Boden liegt, ist viel weniger wert, als wenn man es zielgerichtet nach und nach aus dem Wald geholt hätte. Statt es gut verkaufen zu können, wird es wohl als Brennholz enden. Und: Der Wald muss aufgeforstet werden bevor die Flächen von Brombeeren überwachsen werden – auch das kostet Geld und Mühe.


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Viele Waldbesitzer hat "Sabine" auch emotional getroffen. Als sie die Schäden gesehen hat, habe es sich angefühlt "wie ein Schlag ins Gesicht", sagt Doris Greul-Leuzmann. Vor vier Jahren erst hatte sie ihren Wald zukunftssicher gemacht, um ihn genau wie ihre Vorfahren auch irgendwann an die nächste Generation weitergeben zu können. Buchen, Eichen und Douglasien hat sie gepflanzt und einen halben Kilometer Zaun gezogen. Die jungen Bäume sollten schließlich nicht zu Rehfutter werden. Mit Erfolg: Die Pflanzen entwickelten sich wunderbar. "An Weihnachten war ich noch da und hab mich über die ganze Pracht gefreut", sagt Greul-Leuzmann. Von den jungen Bäumen, die jetzt unter den gefallenen liegen, wird wohl kaum noch einer gerettet werden können.

Infoabend für Waldbesitzer

"Das hier ist etwas ganz anderes, als wenn im Knoblauchsland eine Kultur zerstört wird", sagt Peter Höfler, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes. Salat wachse in zwei Wochen nach – die Bäume, die im Wald gefallen sind, seien teilweise 100 Jahre alt und das Ergebnis der Arbeit mehrerer Generationen.

Greul-Leuzmann ist nicht die einzige, deren Wald Schaden genommen hat. Das Forstamt schätzt, dass in dem 76 Hektar großen Waldstück zwischen Kornburg und Katzwang mehr als sechs Hektar von Windböen gerodet worden sind. Rund 3000 Festmeter (also etwa 2000 Tonnen Holz) liegen jetzt herum. Das Waldgebiet ist kleinteilig. Die 100 Flurstücke gehören rund 70 Menschen – und die müssen sich jetzt abstimmen, schließlich machen fallende Bäume vor Grundstücksgrenzen keinen Halt. Einfach ist das nicht immer. "Mein Waldnachbar lebt in Australien", sagt Vogel.

Die Waldbesitzer aber bekommen Hilfe bei der Beseitigung der Sturmschäden. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürth plant für den 28. Februar bereits eine Informationsveranstaltung für Betroffene. Wie können die Aufräumarbeiten sicher gelingen? Wie können die Flächen neu bepflanzt werden? Wie bekommt man das gefallene Holz auf den Markt? Wenn es für die Schäden schon keinen finanziellen Ausgleich gibt, wie kommt man dann wenigstens an eine Förderung für die Wiederaufforstung? Um all diese Fragen geht es ab 19.30 Uhr in der Gaststätte Blödel in Kornburg.


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Am wichtigsten ist Forstdirektor Peter Pröbstle aber vor allem eines: Sicherheit. Im vergangenen Jahr habe es allein im Freistaat bei Waldarbeiten 25 Tote gegeben – dass im Wald zwischen Kornburg und Katzwang ein Mensch stirbt, müsse unbedingt verhindert werden.

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