Nachtgewächse bringen Leben ins Volksbad

13.7.2011, 07:37 Uhr
Nachtgewächse bringen Leben ins Volksbad

© Kunz

Der erste Hemdendienst - und daher kommt der Name – war eine ehemalige Wäscherei in der Kühnertsgasse. Anfang der Neunziger zog das Kollektiv dann in die ehemalige Autowerkstatt der LGA — dort wo heute das Cinecittà steht. Weitere Stationen waren eine Kellerwerkstatt in der Brückenstraße, die Artothek in der Karl-Grillenberger-Straße, eine Kneipe in der Mittleren Kanalstraße in Gostenhof und zuletzt ein Kurzaufenthalt auf AEG.

Jeder Hemdendienst, in Szenekreisen kurz HD genannt, hatte sein eigenes Flair – und Charaktere, die ihn prägten. Außerdem war der HD immer ein anarchisch angehauchter Ort, der prinzipiell offen ist für alle. Wo eine wilde Mischung von Künstlern, Bohemiens und Strandgut der Nacht aufeinanderprallt. Ein Laden, wo alles passieren kann und in dem man völlig unverhofft an irgendeinem Donnerstag den besten Abend des Jahres erleben kann. „In jedem HD gab es legendäre Konzerte,“ erinnert sich Robert Schumann, ein Mann der ersten Stunde. „Zum Beispiel Die Fantastischen Vier in der Kühnertsgasse – da waren nicht mehr als fünf Leute da.“

Zwischendurch stand der Verein immer wieder vor dem Abgrund und kurz vor der Selbstauflösung. Dass es jetzt weitergeht, ist auch der Stadt zu verdanken. „Wir waren uns der Unterstützung durch die Stadt gar nicht so bewusst.“ gibt Schumann zu. Auch wenn die Hilfe oft seltsame Erscheinungsformen annahm: „Erst hat uns die Stadt tausend Gründe genannt, warum wir nicht im Volksbad einziehen können. Kein Strom, kein Wasser, keine Heizung, keine geeigneten Toiletten, wir sollten einen Bauantrag stellen und so weiter – es gab immer neue Hürden und wir wollten schon aufgeben,“ erzählt HD-Vorsitzender Rocco Kovacs.

Am Ball geblieben

„Aber das Liegenschaftsamt und das Kulturamt haben uns ermutigt, am Ball zu bleiben.“ Schließlich konnten die Ehrenamtlichen des Vereins alle Auflagen erfüllen und es erscheint ihnen fast wie ein Wunder, dass es nun wieder einen HD in Toplage gibt, wenn auch mit befristetem Mietvertrag. In den nächsten Monaten wollen die Aktiven an den alten Geist zwischen Kunst und Blödsinn anknüpfen und in der Rothenburger Straße zeigen, dass der HD nicht Kneipe, Musikclub, „Art-Space“ oder Galerie ist, sondern all das zusammen – der Hemdendienst eben. Musik wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen, für Konzerte ist der neue Laden aber nicht so gut geeignet wie frühere Locations. Dafür könnte der neue HD im Volksbad aber wieder mehr zum Kunstraum werden.

Die erste spektakuläre Ausstellung ist bereits eröffnet. Zwei prominente Maler und melierte Gewächse des Nürnberger Undergrounds, Dan Reeder und Harri Schemm, stellen aus. Die beiden hatten eine ihrer ersten Ausstellungen Anfang der Neunziger im HD am Gewerbemuseumsplatz. Es entstanden ihre legendären „Hemdendienstbilder“, die sie stets im Duett malen. Auf Anregung von Robert Schumann produzierten sie jetzt, fast zwanzig Jahre später, ein Dutzend neuer Bilder, die so spontan und frech sind wie früher. Dabei geht es immer auch um Politik – und um Politiker.

Bekam in den 90ern „Kulturmeilen-OB“ Schönlein sein Fett weg, ist heute zum Beispiel Markus Söder Zielscheibe ihres Spotts. Das Schönlein-Bild hat damals angeblich die Stadt angekauft und im Giftschrank verschwinden lassen. Dieses Schicksal wird Söder in Öl erspart bleiben.

Schon am Eröffnungsabend wurden fast alle Gemälde verkauft – nicht zuletzt wegen der sehr moderaten Preise. „Hemdendienstbilder dürfen nicht viel kosten,“ sagt Harri Schemm, „die sind schnell gemalt und die müssen schnell weg!“ Für den HD wünschen sich alle Beteiligten dagegen, dass er dieses Mal länger am neuen Standort bleibt.

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