Nächtliche Toilettensuche im Hauptbahnhof: Fremde halfen behinderten Frau

28.5.2020, 15:37 Uhr

Doch der Reihe nach: In der Nacht auf Mittwoch betrat er mit einer guten Freundin die Osthalle des Hauptbahnhofs, nach einem lustigen Abend in Nürnberg wollten beide heimfahren. Gegen 0.40 Uhr sprach eine ältere Frau im Elektrorollstuhl die beiden an: Ihr Blasenkatheter sei voll und müsse geleert werden, doch es sei wegen der späten Stunde keine behindertengerechte Toilette mehr zugänglich. Für die Freunde war es eine Selbstverständlichkeit, die Rollstuhlfahrerin auf der Suche nach einer zugänglichen Toilette zu begleiten.

Schmerzen und keine Hilfe

Ein Mitarbeiter der Bahn, den man zufällig traf, sperrte eine Toilette in der Westhalle auf – doch stellte sich heraus, dass die Frau im Rollstuhl diese nicht benutzen konnte. Der 37-jährige Helfer hatte daraufhin eine Idee: Er verließ die Westhalle und lief zur gegenüberliegenden Bundespolizeiinspektion am Bahnofsplatz 6, um dort um Beistand zu bitten. Nach einigem Hin und Her meldete sich ein Mitarbeiter an der Gegensprechanlage und teilte mit, dass man zwar eine behindertengerechte Toilette habe, diese aber wegen der Corona-Krise aus Hygieneschutzgründen nicht zur Verfügung stehe.

Fassungslos ging er wieder zurück in den Hauptbahnhof, wo die Rollstuhlfahrerin – der Leser schätzt sie auf Mitte 60 – mittlerweile über Schmerzen klagte. Es blieb keine andere Lösung: Man besorgte sich kurzerhand vom Fast-Food-Lokal in der Osthalle einige Kaffeebecher und die Helfer entleerten in der Bahnhofshalle den Katheterbeutel. „Wir hatten beide Urin an den Händen“, berichtet der Leser.

Zwischendrin kamen zufällig vier Polizisten der Bundespolizei vorbei. Diese bat der Mann vergeblich um Unterstützung. Weil seine Freundin ihren Ärger über die Situation deutlich gezeigt habe, habe es lediglich unfreundliche Worte von den Polizisten gegeben. „Ich bin enttäuscht und fassungslos“, sagt der Leser. Lediglich ein Mitarbeiter der Bahn, der das Geschehen mitbekam, stellte Desinfektionsmittel zur Verfügung.

Doch kann es sein, dass es in der Zeit nach Mitternacht keine geöffnete behindertengerechte Toilette mehr in der Bahnhofshalle gibt? Und kann es sein, dass die Bundespolizei Menschen mit Handicap in einer äußerst misslichen Lage nicht beisteht?

Ein Pressesprecher der Deutschen Bahn teilte mit, dass man eigentlich im ersten Stock der Bahnhofshalle behindertengerechte Toiletten habe, die 24 Stunden am Tag offen seien. Wegen der Einschränkungen im Zuge der Coronokrise habe man entschieden, diese Toiletten in der Zeit von 0 bis 6 Uhr zu schließen. Dies soll sich nun wieder ändern: Künftig sollen die Toiletten wieder permanent zugänglich sein.

Bernhard Turba, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Nürnberg, erklärt ebenfalls, dass man den Vorfall nun intern klären müsse. Eine übergeordnete Dienststelle in München werde der Sache nachgehen.

Sehr dankbar habe sich die Frau im Rollstuhl nach der nächtlichen Odyssee auf der Suche nach einer Toilette geäußert, berichtet der Leser. Dennoch hat er wenig gute Gefühle nach dem Vorfall: Der letzte Zug war weg, die zwei Helfer mussten jeweils rund 30 Euro für die Taxifahrt heim zahlen. Doch noch schlimmer ist dieses Gefühl: „Ich habe es selbst erlebt, dass man plötzlich so hilflos ist.“

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