Nürnberg: So erlebte eine Zeitzeugin die Luftangriffe im "Hitler-Haus"

7.1.2020, 09:32 Uhr
Blick auf den NZ- und NN-Firmensitz 1961. Damals stand der Neptunbrunnen auf dem heutigen Willy-Brandt-Platz, zu diesem Zeitpunkt noch Marienplatz, zuvor Schlageterplatz. Die Villa in der Mitte, in der NS-Zeit auch als "Hitler-Haus" bekannt, diente in den 1960ern als Landbauamt.

© Archivfoto: Ulrich Friedl Blick auf den NZ- und NN-Firmensitz 1961. Damals stand der Neptunbrunnen auf dem heutigen Willy-Brandt-Platz, zu diesem Zeitpunkt noch Marienplatz, zuvor Schlageterplatz. Die Villa in der Mitte, in der NS-Zeit auch als "Hitler-Haus" bekannt, diente in den 1960ern als Landbauamt.

Renate Feil-Van Loon hat sich aufgrund der Berichterstattung zum 75. Jahrestag der Bombennacht in der Lokalredaktion gemeldet. "Wir Zeitzeugen sterben ja langsam aus, dann kann uns keiner mehr fragen", sagt die 83-Jährige.

In den 1940er Jahren, erinnert sie sich, war das Areal unter dem Namen "Schlageterplatz" bekannt. "Ich wohnte mit meinen Eltern im Hitler-Haus, das wurde damals so genannt." Das Gebäude, in dem die örtliche Parteizentrale untergebracht war, befand sich neben dem Gauhaus, nur getrennt durch die Blumenstraße. Heute steht an seiner Stelle das Pressehaus. "Mein Vater war dort Hausmeister. Die Parteigrößen gingen ein und aus." Als er in den Krieg musste, übernahm ihre Mutter die Stelle. "Ich ging damals zur Schule am Marientorgraben."

Renate Feil-Van Loon ist 83 Jahre alt. Sie berichtet über ihre Erfahrungen in der Nürnberger Bombennacht von 1945.

Renate Feil-Van Loon ist 83 Jahre alt. Sie berichtet über ihre Erfahrungen in der Nürnberger Bombennacht von 1945. © Foto: Judith Horn

An diese Zeit hat sie nicht mehr viele Erinnerungen, sagt Feil-Van Loon. "Ich weiß nur noch, dass es eine Lehrerin mit Namen Mauermeier gab, und dass wir Kinder uns bei einigen Veranstaltungen aufstellen und den Hitlergruß zeigen mussten." Wenn ihr der rechte Arm wehtat vom langen Halten, habe sie manchmal einfach den linken genommen. "Dabei durftest du dich aber nicht erwischen lassen!"

Nicht vergessen allerdings hat die Nürnbergerin den Abend des 2. Januar 1945. "Ich war mit Mutti zu Hause – wir wohnten ganz oben im Hitler-Haus – und sie wollte mir gerade Hirn braten, das ich damals so gerne aß." Plötzlich Fliegeralarm, das Dröhnen der Bomber, erste Erschütterungen. "Das Hirn flog durch die Küche und wir rannten in den Luftschutzkeller." Der befand sich unter "Hitler-Haus" und Gauhaus. Zum nächsten Bunker am Paniersplatz wäre es viel zu weit gewesen. "Wir saßen mit fünf, sechs anderen Leuten in dem kleinen dunklen Raum. Ich erinnere mich noch genau an die Hysterie und die Angst, die wir alle hatten."

Eine Frau, die im Propagandaamt des NSDAP-Hauses arbeitete und ihre Mutter kannte, habe immerzu gerufen: "Lieber Gott, hilf!" Noch heute könne sie nur schlafen, sagt Feil-Van Loon, wenn durch die Rollläden etwas Licht dringe. Vielleicht komme das von den angstvollen Stunden, die sie als Kind in dem dunklen Luftschutzkeller ausharren musste.

Was aus dem Stallhasen der Familie wurde, der vor dem Angriff in der Küche umhergehoppelt sei, daran könne sie sich nicht mehr erinnern. Es sei seltsam, was man als Kind im Gedächtnis behalte und was nicht.

Nur raus aus der Stadt

"Nach dem Angriff sind Mutti und ich raus aus dem Keller und zu Fuß bis zum Dutzendteich gelaufen, um einen Zug zu erwischen. Alles hat lichterloh gebrannt." Das "Hitler-Haus" sei zwar im Vergleich mit anderen Gebäuden gut davongekommen, doch ihre Mutter habe sie in Sicherheit und raus aus der Stadt bringen wollen. Die Familie kam zunächst bei den Großeltern in Seligenporten unter, später in einem Behelfsheim aus Holz in Allersberg. Als junge Frau ging Feil-Van Loon in Nürnberg auf die Handelsschule; seit vielen Jahren lebt sie nun schon wieder in ihrer Geburtsstadt.

Wenn sie im Fernsehen Bilder von Kriegsgebieten aus aller Welt sehe, dann denke sie sich: "Haben die Menschen denn nichts gelernt? Wissen die denn nicht, wie schlimm das für die armen Kinder ist?" Die Ereignisse von damals kommen jedes Mal wieder hoch, wenn sie etwas über den Krieg oder die Nacht damals liest. Dennoch sagt sie: " Es ist richtig, dass die Zeitungen darüber berichten." Nur so bleibe die Erinnerung erhalten – auch wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt.

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