Nürnberger Flughafen setzt eigene Rettung aufs Spiel

19.12.2014, 05:57 Uhr
Beunruhigende Kunde vom Flughafen Nürnberg: Der Sanierungstarifvertrag, obwohl bereits im Juli vereinbart, ist noch immer nicht unterschrieben.

© Weigert Beunruhigende Kunde vom Flughafen Nürnberg: Der Sanierungstarifvertrag, obwohl bereits im Juli vereinbart, ist noch immer nicht unterschrieben.

Ausgerechnet jetzt. Die zarte Hoffnung auf mehr Passagiere, die 70-Millionen-Euro-Finanzspritze der Gesellschafter Stadt und Land: Gerade schien es, als würde das Rettungskonzept für den Flughafen Nürnberg greifen. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten auch die 880 Beschäftigten mit dem bereits zweiten Sanierungstarifvertrag, auf den sich Geschäftsführung und Arbeitnehmervertreter im Sommer einigten.

Doch jetzt das: Dieser Sanierungstarifvertrag, in der Außendarstellung der Beteiligten längst durch, ist das gar nicht für alle. „Die Unterschriften sollen in diesen Tagen erfolgen“, bestätigt Flughafen-Sprecherin Stefanie Schmidts indirekt Recherchen dieser Zeitung. Was sich wie eine lässliche Verzögerung anhört, könnte noch für richtig Ärger sorgen und die Rettung des Airports verzögern. Wenn nicht Schlimmeres.

Die Vereinbarung sieht vor, dass die Flughafen-Mitarbeiter über die nächsten Jahre finanzielle Opfer bringen. Laut Insidern verzichten beispielsweise die Beschäftigten der Dachgesellschaft FNG bis Ende 2015 auf 2,5 Prozentpunkte jeder Lohnerhöhung, die ihnen regulär zustehen würde. Im Gegenzug gibt’s vor allem Kündigungsschutz.

Der DBB Beamtenbund hat das am 11. August, wenige Wochen nach Ende der Gespräche, für seine Mitglieder auch unterzeichnet. Von ver.di aber fehlt die Unterschrift bis heute, wie Gewerkschafts-Verhandlungsführer Manfred Weidenfelder einräumt. Hintergrund sind, so gut informierte Kreise, interne Grabenkämpfe.

Auch bei ver.di war aufgefallen, dass sich die Lage am Flughafen jüngst gebessert zu haben scheint. Einige ließ das, entgegen der am Verhandlungstisch gegebenen Zusage, prompt daran zweifeln, ob man den eigenen Leuten einen Sanierungstarifvertrag überhaupt noch zumuten muss. Andererseits sieht dieser auch vor, dass die Beschäftigten ihr finanzielles Opfer zurückbekommen, wenn bestimmte Bilanzzahlen erreicht werden. Da es danach aussieht, drängten andere Verdianer jetzt erst recht auf den Abschluss. Sie sehen die Chance, Bonbons wie den Kündigungsschutz ohne bittere Pillen zu bekommen.

Gutachten beendet Zwist

Erst ein von der Gewerkschaft extra in Auftrag gegebenes externes Gutachten, das nun vorliegt, konnte den Bruderzwist der Genossen beenden — pro Sanierungstarifvertrag. „Noch vor Weihnachten werden auch wir unterschreiben“, verspricht ver.di-Experte Weidenfelder.

Doch der Schaden ist schon angerichtet. Denn in der Praxis wendet der Flughafen den Sanierungstarifvertrag seit Monaten an. Für die DBB-Mitglieder unter den Beschäftigten ist das auch unkritisch — doch für die laut Insidern erhebliche Zahl der Verdianer? Weidenfelder spricht offen von einer „rechtlichen Grauzone“.

Und tatsächlich: Am Dienstag wurde vor dem Arbeitsgericht Nürnberg die erste Klage eines FNG–Mitarbeiters gegen den Airport auf Auszahlung der einbehaltenen Gehaltsanteile verhandelt, bestätigt ein Justizsprecher. Im nächsten Frühjahr soll es in die nächste Runde gehen.

Die Rechtsunsicherheit durch die eigentlich vermeidbare Verzögerung ist schon ärgerlich — doch es könnte noch dicker kommen. Es war kein Zufall, dass Sanierungstarifvertrag und Finanzspritze der Öffentlichkeit im Juli am selben Tag verkündet wurden. Denn Experten sind sich einig, dass es in Europa zu viele, vor allem: zu viele defizitäre Flughäfen gibt, die nur dank Steuergeldern überleben. Die Europäische Union verschärft daher gerade das Beihilferecht.

Für den Airport Nürnberg heißt das: Die 70 Millionen von Freistaat und Stadt dürften vor Brüssel nur bestehen, wenn ein privater Investor genauso entschieden hätte. „Wirtschaftlichkeitstest“ nennt sich das. Dafür ist der Nachweis praktisch unverzichtbar, dass die Kosten des betroffenen Unternehmens künftig sinken. Zum Beispiel aufgrund eines, genau: Sanierungstarifvertrags. Von dem in Nürnberg jetzt nur keiner mehr weiß, ob und wie er das Gerichtsverfahren überlebt.

Inhaltlich haben Flughafen, Gesellschafter und die Mitarbeiter bisher stets selbst die vertracktesten Konflikte gemeistert — die Rettung des Airports immer im Blick. Jetzt droht eine im Grunde banale Formalie das Projekt mindestens zu verzögern. Ulrich Maly, Vize-Aufsichtsratschef und OB Nürnbergs, weiß darum, gibt sich aber zuversichtlich. Der Sanierungstarifvertrag werde Bestand haben und auch die EU-Kommission sich von dem Thema nicht tangieren lassen: „Wir reden hier von einem theoretischen Problem.“

Doch warum sich der Flughafen mit der Anwendung des Vertrags noch vor der letzten Unterschrift dem juristischen Risiko ohne Not überhaupt ausgesetzt hat? „Das müssen Sie die Geschäftsführung fragen“, sagt Aufsichtsrat Maly. Flughafen-Chef Michael Hupe jedoch lässt nur zwei Worte ausrichten: kein Kommentar.

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