Pandemie

Nürnberger Klinikseelsorger über Leben und Sterben auf der Corona-Station

17.6.2021, 05:38 Uhr
Anton Baier ist Seelsorger im Klinikum Nürnberg und im Martha Maria.

© David Brahm, NNZ Anton Baier ist Seelsorger im Klinikum Nürnberg und im Martha Maria.

Kurz nach Aufnahme des Podcasts meldet sich Anton Baier nochmal: Die Produktion habe für ihn einen Stein ins Rollen gebracht. Er habe Erinnerungen aus den letzten Monaten aufgeschrieben, das habe doch gut getan.

Denn Anton Baier hat viel zu erzählen. Als Seelsorger begleitet er seit über einem Jahr (Über-)Lebende und Sterbende auf der Covid19-Intensivstation des Klinikums Nürnberg. Wie er die Zeit erlebt hat, was sie mit ihm und anderen Mitarbeitern gemacht hat, das erzählt er im Podcast Mit.Menschen.

Der erste Lockdown, erinnert sich Baier, war krass, wer auf die Corona-Station eingeliefert wurde, war abgeschnitten von seinen Lieben, ein Besuch nicht möglich. Man verabschiedete sich vor dem Klinikum und wusste nicht, ob man sich noch einmal wiedersehen würde.


Podcast Mit.Menschen: Professor Ficker arbeitet an der Corona-Front


Und so wurde ein altes Tablet zur Brücke zwischen "drinnen" und "draußen", montiert auf einem Infusionsständer konnte es von Patient zu Patient geschoben werden. Und, soweit diese ansprechbar waren, ein wenig Kontakt zwischen Mann und Frau, Mutter und Sohn ermöglichen.

Das sei natürlich für die Kranken selber wichtig, aber auch sehr für die Angehörigen, sagt Baier. Für viele sei die Ungewissheit, das Nicht-Sehen-Können des Patienten oft schlimmer, als ihn dann selber im Bett via Video-Call zu erleben - vielleicht mit Schläuchen, schwach und gezeichnet, doch man habe zumindest ein greifbares Bild der Realität.

In dieser Schutzausrüstung tritt Anton Baier den Covid-Patienten gegenüber. 

In dieser Schutzausrüstung tritt Anton Baier den Covid-Patienten gegenüber.  © e-arc-tmp-20210616_110140-3.jpg, NNZ

Corona sei für die gesamte Intensivstation ein "Schmerzpunkt" gewesen, sagt Baier. Man bekomme zwar über das ganze Jahr Patienten, die maximale Intervention brauchten. Doch man habe da viele Routinen und Erfahrungswerte, wisse, was zur Linderung betragen könne.

"Das hat uns alle tief erschüttert"

Im Gegensatz dazu Corona: "Das hat uns alle immer wieder tief erschüttert", sagt Baier. "Man gibt eine Maschine und noch eine und die bleiben eine Woche dran und noch eine. Und man steht mit dem Rücken zur Wand." Denn es werde nicht besser, die Genesung setze trotz aller Hilfen nicht ein - ein Unterschied zu anderen Krankheiten. "Das macht hilflos." Für die Mitarbeiter sei das eine schwierige Erfahrung, das merke er auch an ihrem Bedarf an Gesprächen mit dem Seelsorger: "Der Umfang hat sich verdoppelt."

Inzwischen ist eine Beruhigung im Klinikum Nürnberg eingetreten, auch Anton Baier bekommt das zu spüren. Er habe mehr Zeit für die einzelnen Gespräche, alle hätten mehr Hoffnung und Zuversicht, sagt er. Das sichtbarste Zeichen: Ein Teilbereich der Covid19-Station sei im Moment komplett leer. Im Moment werde er von Grund auf gereinigt und gewartet.

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