Nürnberger Prostituierte fürchten Ausweispflicht

4.9.2014, 05:58 Uhr
Nürnberger Prostituierte fürchten Ausweispflicht

© dpa

"Wenn ich so etwas höre, stehen mir die Haare zu Berge", sagt Bärbel Ahlborn. Was die Leiterin der Nürnberger Prostituierten-Beratung Kassandra so in Rage versetzt, ist die geplante Ausweispflicht für Huren gegenüber Kunden. Die soll laut Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) dem Schutz der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter dienen. Doch: „Wo sind denn die, die gesagt haben, sie wollen geschützt werden?“, fragt Ahlborn.

Schwesig war erst am 21. August in Nürnberg und besuchte das Aussteigerprojekt für Prostituierte „Opera“. Das sogenannte „Hurenregister“ kam bei dem Besuch nur kurz, dafür aber lautstark zur Sprache: Vor dem Eingang war es zu Protesten gekommen. Schwesig hatte daraufhin beteuert, dass es der Koalition darum gehe, Sexarbeiterinnen durch das neue Regelwerk vor Ausbeutung und Gewalt zu bewahren. Dafür müssten sie sich aber zunächst bei den Ämtern anmelden, sagte die Ministerin.

Wie diese Anmeldepflicht genau aussehen soll, ist derzeit noch unklar. Klar ist nur: Sie soll nicht zentral geregelt werden. Ein immenser Bürokratieaufwand, wenn man bedenkt, dass häufiger Ortswechsel im Milieu üblich ist. Ausgestellte Ausweise müssten auf Verlangen nicht nur Behörden, sondern auch Betreibern und sogar Kunden vorgezeigt werden. Das sei einfach ungerecht, sagt Bärbel Ahlborn.

Viele Huren fürchten sich davor, gesellschaftlich ausgegrenzt zu werden. Aus gutem Grund: Gleichstellung existiert, wenn überhaupt, nur auf dem Papier. „Anonymität ist da der einzige Schutz, der bleibt.“ Das wäre mit dem neuen Gesetz passé. Repressalien könnten dann nicht nur die Sexarbeiterinnen treffen, sondern auch deren Kinder und Familien, fürchtet Ahlborn.

Jährlich acht Anzeigen wegen Menschenhandels

Mehr Rechte, das wünschen sich die Prostituierten. Das 2002 in Kraft getretene Prostitutionsgesetz sollte schon mehr Sicherheit garantieren. Doch immer noch müssen sich die Huren tagtäglich Gedanken machen, wie sie über die Runden kommen. Sie sind häufig überfordert, wenn es um bürokratische Abwicklungen geht. Ein hoher Konkurrenzdruck und Sprachprobleme erschweren es ihnen zudem oftmals, außerhalb und selbst innerhalb des Milieus soziale Kontakte zu knüpfen. Mehr Rechte für Prostituierte, das wünscht sich auch Bärbel Ahlborn. Die Registrierungspflicht würde jedoch in erster Linie mehr Pflichten bedeuten.

Schwesig bleibt bei ihrem Kurs. Die Ministerin will gegen Ausbeutung und Gewalt kämpfen. Ausgerechnet diese Probleme betreffen aber die wenigsten Prostituierten. Etwa 650 Huren arbeiten nach Schätzungen der Polizei aktuell gleichzeitig in Nürnberg. Von 2009 bis 2012 wurden jährlich durchschnittlich acht Fälle von Menschenhandel zur Anzeige gebracht, die Zahlen sind laut Polizeiangaben konstant. In keinem der Verfahren kam es zu einer Verurteilung; was allerdings daran liegt, dass die Opfer oft unter Druck stehen und vor Gericht schweigen. Die Leiterin der Prostituierten-Beratung will das Problem nicht kleinreden. Doch „zu glauben, mit bestimmten Registrierungen Ausnutzungs-Situationen zu vermeiden oder zu glauben, dass man damit eventuellem Menschenhandel entgegentreten kann, ist meiner Meinung nach eine Illusion“, sagt Ahlborn. Statt Sicherheit entstünde ein neuer Zwang.

Keine Gleichbehandlung für Huren

Auch Gang-Bang-Partys und Flatrate-Sex sollen verboten werden. Geschäftsmodelle, die nach Ansicht der Regierung menschenunwürdig sind. Ahlborn sieht das anders: „Über die Würde eines Menschen kann nur jeder selbst entscheiden.“

Die Kassandra-Leiterin kann nicht verstehen, warum es für Huren keine Gleichbehandlung mit anderen Selbstständigen gibt. Prostituierte bekommen keinen Gewerbeschein, sie müssen ihr Einkommen aber beim zuständigen Finanzamt melden. Sie fragt sich, warum die selbstständigen Sexarbeiterinnen nicht einfach ein Gewerbe beim Amt anmelden können. So, wie es bei allen anderen selbständigen Tätigkeiten ist.

Das neue Gesetz droht, eine falsche Richtung zu nehmen. Eine Richtung, die den Sexarbeiterinnen nicht hilft. Sie nicht schützt. „Wenn man anfängt, solche Meldepflichten einzuführen, dann werden die Prostituierten regelmäßig von der Polizei kontrolliert“, sagt die Kassandra-Leiterin. Da viele ihre Identität aber nicht preisgeben wollen, würden sie sich mit dem neuen Prostitutionsgesetz strafbar machen und würden so kriminalisiert, erklärt Ahlborn.

Wenn die Planungen der Frauenministerin umgesetzt werden, würden Prostituierte dennoch weiterhin diskriminiert werden. Zusätzlich wäre der bisherige Schutz durch die Anonymität aufgehoben. „Das wäre ein Rückschritt“, sagt Ahlborn.

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