Nürnberger Tiergarten bereitet sich auf Tiger-Begegnung vor
Der erste direkte Kontakt zwischen den Tieren birgt ein Risiko - 11.02.2021 06:00 Uhr
Die Sibirische Tigerdame Katinka lebt im Nürnberger Tiergarten derzeit noch solo. Partner Nikolai gewöhnt sich in einem separaten Käfig in seiner neuen Umgebung im Raubtierhaus ein.
09.02.2021 © Ralf Rödel
Im rheinland-pfälzischen Zoo von Neuwied ereignete sich vor wenigen Wochen beim ersten direkten Kontakt eine Tier-Tragödie: Kaum war der Schieber zwischen den Käfigen geöffnet, stürzte sich der Tiger auf die weibliche Großkatze und verletzte sie so schwer, dass sie zwei Tage später starb.
So will sich der Tiergarten vor Tiger-Angriffen schützen
Nürnbergs Tiergarten-Direktor Dag Encke weiß, dass beim Zusammenbringen von Großkatzen ein Risiko besteht. Es kann problemlos ablaufen, aber eben auch tödlich enden - gerade wegen der messerscharfen Zähne. Im Nürnberger Tiergarten war 2012 ein junger Tiger beim spielerischen Raufen mit seinem Bruder durch einen Genickbiss ums Leben gekommen.
Zur Eingewöhnung in getrennten Käfigen
Vor der Zusammenführung von Katinka und Nikolai sollen verschiedene Maßnahmen die Gefahr einer extremen Attacke minimieren. So bleiben die beiden zur Eingewöhnung längere Zeit getrennt in nebeneinander liegenden Käfigen. "Sie können sich dort am ,Schmusegitter' begegnen und sich optisch, akustisch und vom Geruch her wahrnehmen", berichtet der Biologe.
Bei den Einzelgängern kann sich dadurch eine gewisse Vertrautheit entwickeln. Am sichersten ist es, so Encke, die nächste Rolligkeit der Tigerin abzuwarten. Durchschnittlich einmal im Monat ist die Großkatze zur Paarung bereit, ihre Abwehrhaltung fällt dann weitgehend weg. Das Nürnberger Duo soll für Nachwuchs der gefährdeten Art im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms sorgen.
Raubkatzen pusten sich an
Die Raubkatzen haben bereits Interesse aneinander signalisiert. Sie pusten sich bei Begegnungen am Gitter gelegentlich gegenseitig an - ein Verhalten, das die Tiergarten-Mitarbeiter als freundlich interpretieren. Außerdem machen beide während der Rolligkeit durch häufiges, lautes Brüllen aufeinander aufmerksam.
Ein indischer Königstiger zeigt alarmiert sein eindrucksvolles Gebiss. Der Nürnberger Tiergarten hält Sibirische Tiger.
09.02.2021 © imago/Cezary Wojtkowski
Doch zuerst soll Nikolai seine Umgebung genau kennenlernen. "Er muss wissen, wohin er sich im Notfall zurückziehen kann, um sich sicher zu fühlen", erklärt Pflegerin Gabi Foth, "er soll Vertrauen zu uns entwickeln, damit er weiß, es passiert ihm nichts." Daher werde er mitunter auch per Hand gefüttert. Stressige Situationen will man vermeiden.
Wasserschlauch und Pistole
Das Pfleger-Team geht ruhig mit den Großkatzen um. Dieses Verhalten kann wichtig werden, wenn der Moment des Zusammenlassens der beiden Großkatzen gekommen ist. Falls dann der Kater übersteigerte Aggression zeigt, können die Pfleger intervenieren.
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Wasserschlauch und Schreckschusspistole liegen in Reichweite. Vor der Freianlage steht außerdem ein Hydrant, an den ein Feuerwehrschlauch angeschlossen werden kann. Der Wasserstrahl - wie auch ein Knall - soll den angreifenden Tiger im Notfall kurzzeitig irritieren, so dass der unterlegene Artgenosse den Moment zur Flucht nutzen kann. Die Pfleger stehen an den Schiebern, um die Kontrahenten durch rasches Schließen zu trennen. Eine Betäubung während eines Kampfes ist dagegen keine Option, so Encke.
Aggression oder Scheu?
Die Tiergarten-Leitung vertraut auf die Einschätzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Raubtierhaus. Sie können mit ihrer langjährigen Erfahrung das Verhalten der Großkatzen meist genau interpretieren. Zeigt sich der neue Tiger selbstbewusst, aggressiv oder defensiv? Nimmt er ohne Scheu auf dem Podest im Raubtierhaus Platz und signalisiert so seine Stärke? Oder versteckt er sich lieber im Laufgang und blickt vorsichtig um die Ecke? Welche Charakterzüge lassen sich im täglichen Umgang erkennen?
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Man sollte allerdings nicht zu lange abwarten, meint Encke. Denn es kann zu gesteigerter Aggression beim männlichen Tiger führen, wenn die Rolligkeit der Katze mehrere Male vorübergeht, ohne dass ihr Partner zum Zug gekommen ist.
Peta lehnt Zuchtprogramm ab
Wenn Katinka und Nikolai in Kürze zueinander gelassen werden, stehen Tiergarten-Mitarbeiter zur Sicherheit an den Schiebern. Und sie achten nicht nur auf die allererste Begegnung. Dann herrscht rund um die Uhr Bereitschaft im Raubtierhaus. "Denn es gibt leider keine Garantie, dass alles gut geht", merkt die Raubkatzen-Pflegerin an.
Die Tierrechtsorganisation Peta lehnt das Zuchtprogramm der Zoos grundsätzlich ab. Verhaltensstörungen, Tierleid und lebensgefährliche Attacken beim ersten Kontakt würden dabei billigend in Kauf genommen. "Wir fordern, dass Artenschutz nur im natürlichen Lebensraum der Tiere stattfinden sollte, anstatt Millionen für die Haltung und Zucht kranker Tiere in Gefangenschaft zu verschwenden", erklärt Peta.
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