Obdachlose in Nürnberg: Prostitution hinter Planen?

5.11.2016, 13:00 Uhr
Die Obdachlosen schützen sich unter der Franz-Josef-Strauß-Brücke mit einer Plane vor der kalten Zugluft.

© Roland Fengler Die Obdachlosen schützen sich unter der Franz-Josef-Strauß-Brücke mit einer Plane vor der kalten Zugluft.

An Schnüren hochgezogene blaue und grüne Plastikplanen haben die Behörden in Nürnberg misstrauisch gemacht. Man habe den Eindruck gewonnen, dass hinter den Plastikfolien "sexuelle Handlungen" passierten, sagt Christine Schüßler vom Bürgermeisteramt auf Anfrage. Einen Grund zur Räumung gebe es noch nicht, doch man werde die Situation unter der Franz-Josef-Strauß-Brücke in der nächsten Zeit genau beobachten. 

Tatsächlich haben "Tuppatsch" und sein Kompagnon Constantin, genannt "Conni", ihr Matratzenlager schon seit einigen Wochen mit einem Sichtschutz versehen. Prostitution? "Tuppatsch", der seit fünf Monaten hier zuhause ist, kann darüber nur lachen. Es habe sie einfach genervt, dass ihnen die zahlreichen Passanten immer direkt ins Bett schauen konnten. Außerdem ziehe es unter der Brücke unangenehm. Auch dagegen sollen die Planen helfen.

Öffentlich ist das Leben dort ohnehin. Wenn "Tuppatsch" mit seinen Gästen Robert und Silke beim Bier auf dem roten Sofa am Couchtisch sitzt, kann das jeder sehen. Schon seit sechs Jahren ist der 63-jährige "Conni" hier daheim. Heute ist er unterwegs, doch die anderen stellen sofort klar, "dass die Platte immer noch ihm gehört". Platte heißen die Orte, an denen Obdachlose im Freien leben. Für viele von ihnen sind die angebotenen Unterkünfte von Heilsarmee oder Stadt keine Alternative.

Polizei, Ordnungsamt und Sör arbeiten zusammen

Sie wollen lieber frei sein, auch wenn es im Winter sehr frostig wird.
Unter der Franz-Josef-Strauß-Brücke habe es lange "ganz passabel" ausgesehen, sagt Robert Pollack, Chef des Ordnungsamtes, über das improvisierte Lager, an dessen Eingang zwei Schalen mit Erika und eine Kerze stehen. Die Polizei sondiere regelmäßig die Lage, man müsse sehen, wie es sich entwickle.

Laut Christine Schüßler hat ein Generationswechsel bei den Bewohnern auf das Lager aufmerksam gemacht. Die dort angetroffenen Obdachlosen bestreiten das - wie auch den Sex hinter den Planen. Um einen Überblick über alle derartigen Standorte in der Stadt zu bekommen, wurde im Rathaus eine neue Arbeitsgruppe Sicherheit und Sauberkeit, kurz Sisa, gegründet. Ordnungsamt, Polizei und Sör arbeiten hier zusammen. Im Fokus sind vor allem der Brennpunkt Königstorpassage, der Aufseßplatz, der Jamnitzerplatz oder die Wöhrder Wiese.

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