Pädagogik statt Guinness und Gitarre

24.5.2013, 16:30 Uhr
Pädagogik statt Guinness und Gitarre

© Tanja Toplak

Er ist etwas angeschlagen. „Erkältung“. Aber auch ohne Virus ist Paul Dempsey kein Freund langer Reden. Oder großer Worte. „Ich kann gut zuhören. Das ist meine Stärke.“ Sprechen, das tut er nur, wenn er etwas zu sagen hat. Dann aber wählt der Ire erstaunlich deutliche Worte. Seine schwarz umrandete Brille hat der gebürtige Dubliner abgenommen und dreht sie während des Gesprächs in den Händen hin und her.

Später wird er noch vor den Gästen im Irish Cottage in Fürth auftreten - ein Heimspiel für den Musiker und ehemaligen Besitzer des Pubs in der Waagstraße.

Früher begeisterte Dempsey sein Publikum mehrmals in der Woche mit Gitarre und Mundharmonika, jetzt nur noch ein- oder zweimal im Monat. Auch hinter dem Tresen ist der ehemalige Gastwirt nur noch selten zu finden. Vor Jahren noch führte er außerdem das Irish Castle am Plärrer und den Nachtwächter in Nürnberg.

Bar und Bühne - was einmal sein Leben füllte und sicherte, ist heute eher ein Hobby. Mit 45 Jahren hat sich der Mann mit Kinnbärtchen und Wuschelhaaren entschlossen, eine Ausbildung zum Erzieher zu machen. Doch warum gerade jetzt? „Es war Zeit für etwas Neues. Ich wollte schon immer im sozialen Bereich arbeiten. Den Wunsch hatte ich aber über die Jahre weggeschoben.“

Für die Gastronomie hat sich Dempsey nie bewusst entschieden. „Zufall“ — damit habe seine Laufbahn als Wirt angefangen. Überhaupt, sagt er, scheinen Zufälle seinen Lebensweg zu lenken. Sie bringen Gelegenheiten mit sich, die er beim Schopf packt. Ohne lang zu planen oder sich den Kopf zu zerbrechen.

Von der Bühne hinter die Bar

Der Liebe wegen kam er 1989 nach Nürnberg. Und wegen der Liebe blieb der junge Mann. Um Geld zu verdienen fing er an, in Pubs und Lokalen zu spielen (irische Volksmusik und „das übliche Kneipengedudel“). Von seiner Mutter ließ er sich dafür aus Irland die daheimgebliebene Gitarre zuschicken.

Von der Bühne wanderte Dempsey bald hinter die Bar, wurde Musiker und Wirt in einem, übernahm das Irish Cottage. Alles lief gut. „Eine schöne Phase. Aber nach so langer Zeit machte es nicht mehr so viel Spaß.“ Mehr noch: Es strengt ihn an. Außerdem sahen seine Kinder ihren Vater, der mitten in der Nacht nach Hause kam, nur wenig.

Vor rund einem Jahr, sein Lokal hatte er bereits an seinen Geschäftspartner übergeben, begann der Wirt, sich nach etwas Neuem umzusehen und erinnerte sich an seinen lange gehegten Wunsch. Von der Fachakademie für Sozialpädagogik in Fürth hatte Dempsey bis dato nichts gehört. „Durch Zufall“ machte eine Bekannte ihn darauf aufmerksam.

Und zufällig fand kurz darauf ein Infoabend statt. Er bewarb sich für eine Ausbildung zum Erzieher. Erfolgreich. Das erste halbe Jahr von dreien hat der Mittvierziger schon hinter sich, derzeit macht er ein Praktikum in einem Kindergarten in Fürth. Berührungsängste mit dem neuen Beruf hatte er nicht: „Ich habe vier Kinder. Das hilft.“

Etwas "Sinnvolles" tun

Seine Mitschüler sind deutlich jünger, die meisten um die zwanzig. „Der Altersunterschied stört mich nicht. Ich komme mit vielen Leuten zurecht. Egal, welches Alter. Ich war schließlich Wirt.“ Ein Lächeln huscht über sein Gesicht.

Ist der Berufswechsel also gar nicht so radikal, wie es auf den ersten Blick scheint? Von den Arbeitszeiten und dem Tagesablauf her schon. Er geht früher schlafen, steht mit seiner Familie auf, kommt nachmittags nach Hause. Aber: „In beiden Berufen hat man mit Menschen zu tun.“ Immer wieder habe er sich auch in der „Erziehung“ seiner Gäste geübt. Ihnen gesagt, dass sie es mit dem Alkohol nicht übertreiben sollen. Oder notorische Alleinsitzer miteinander ins Gespräch gebracht. Ohne sich aufzudrängen, denn das liegt ihm nicht.

„Ich sehe in jedem zuerst die positiven Seiten“, erklärt Dempsey. So findet er Zugang zu den Leuten und ihren Schicksalen - und Letztere sind oft hart. „Das sind eigentlich nette Menschen.“ Bei vielen sei in der Kindheit aber etwas falsch gelaufen. Solchen Schicksalen will er künftig entgegenwirken, etwas „Sinnvolles“ tun. Dafür büffelt er nun Pädagogik und übt sich in der Praxis. Wo er nach seiner Ausbildung gerne arbeiten würde, weiß er noch nicht. „Das wird sich zeigen.“ Vielleicht spielt ihm ja der Zufall in die Hände.

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