Passivhaus für Schabrackentapir: Tiergarten will CO2-neutral werden

3.9.2019, 05:56 Uhr
Der Schabrackentapir bewegt sich hier im Freigelände und lässt sich ein paar Sträucher schmecken. Das Tropenhaus, in dem er lebt, benötigt enorm viel Energie.

© Foto: Athina Tsimplostefanaki Der Schabrackentapir bewegt sich hier im Freigelände und lässt sich ein paar Sträucher schmecken. Das Tropenhaus, in dem er lebt, benötigt enorm viel Energie.

Kohlenstoffdioxid sei die entscheidende Richtgröße für den Klimawandel, betont Dag Encke. Mitunter wird noch immer abgestritten, dass dieser menschengemacht ist; der Tiergarten-Direktor hält das für müßig: "Selbst wenn er nicht menschengemacht wäre, wissen wir, dass wir die einzigen sind, die am CO2-Anstieg etwas ändern können." Und dieser und die damit verbundenen Temperatursteigerungen seien dramatisch, man könne nicht mehr von "statistischen Schwankungen reden".

Will den Tiergarten für die Zukunft fit machen: Dag Encke.

Will den Tiergarten für die Zukunft fit machen: Dag Encke. © Foto: Stefan Hippel

Die Menschen seien "abhängig von mittleren Temperaturen, die wir auf dem Planeten haben. Alle Temperaturschwankungen, die man über Jahrhunderte nachweisen kann, ändern nichts daran, dass es für den Gesamtplaneten noch nie so eine hohe Durchschnittstemperatur gegeben hat, seit Leben entstanden ist", sagt Encke.

"Dreckschleuder" Tropenhaus

Vor diesem Hintergrund stehe auch der Tiergarten in der
Verantwortung, "möglichst wenig CO2 in die Luft zu blasen". Freilich, räumt Encke selbstironisch ein, nehme er mit dem Ziel der "Neutralität" den Mund sehr voll – aber man müsse daran arbeiten. Ein Dorn im Auge ist dem Tiergartenchef aus dieser Sicht das Tropenhaus. Das sei eine "Dreckschleuder", 50.000 Euro investiere man pro Jahr an Energiekosten in das Gebäude. Allerdings beherberge es eines der "wertvollsten Tiere, die wir haben" – den Schabrackentapir. Der sei in der freien Natur gefährdet und auch in Zoohaltungen schwierig nachzuzüchten.

Deswegen wolle man die Pflanzenfresser unbedingt behalten – aber perspektivisch möchte der Tiergarten die Waldbewohner in einem Passivhaus halten, das die Umwelt nicht belastet. Das Problem: Ein solches Gebäude dürfte mindestens acht bis zehn Millionen Euro kosten, berichtet Encke, das sei schwierig finanzierbar. "Im Betrieb ist es dann ganz billig."

Weil man keine neuen Warmhäuser bauen will, hat sich der Tiergarten Encke zufolge auch gegen die Haltung der Gaur entschieden, obwohl diese südostasiatischen Rinder aufgrund ihrer Größe mächtig Eindruck gemacht hätten. "Aber sie brauchen zu viel Energie." Stattdessen wolle man anstelle der Bisons, deren Haltung ausläuft, Moschusochsen anschaffen, für die man die bisherigen Ställe weiterverwenden könne. "Da muss eher noch Kaltluft rein." Zudem seien Moschusochsen ebenso wie Eisbären oder Schabrackentapire Vertreter von Tierarten, deren natürliche Lebensgrundlagen durch menschliche Eingriffe oder den Klimawandel zerstört werden – es sei der pädagogische Anspruch der Einrichtung am Schmausenbuck, dies dem Publikum zu vermitteln.

Buchensterben am Schmausenbuck

In Sachen CO2-Neutralität werde ab Mitte September eine Expertengruppe tagen, so der Tiergartenchef. Dieser sollen Vertreter des Kommunalen Energiemanagements, des Umweltreferats, der N-Ergie sowie ein Architekt angehören. Man stehe hier ganz am Anfang, sagt Encke. Aber eine Beispielrechnung gebe es schon: Wollte man den Energieverbrauch des Tiergartens zum Beispiel komplett über Photovoltaik (PV) abdecken, bräuchte man laut Auskunft des Kommunalen Energiemanagements 5,5 Hektar Fläche, 34.000 PV-Module und mindestens 15 Millionen Euro an Investitionen. Der Tiergarten verfüge über alternative Energiequellen, aber im Vergleich zu diesen Größenordnungen sei das "nicht sichtbar", so Encke.

Sichtbar sind jedoch die ersten Folgen des Klimawandels. Encke bedauert nach dem Eichensterben mittlerweile auch viele tote Buchen, etwa im Bereich des Takin-Geheges. Schon zu Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2005 hätten er und seine Mitarbeiter festgestellt, dass anstelle der früheren kontinuierlichen Sommerregen nun Starkregen falle – der aber sickere zu wenig in den Boden ein, worunter die Bäume litten.

Weniger Sorgen als um die Landschaft und den Energieverbrauch in Zeiten des Klimawandels macht sich Encke um die Tiere – sie kämen mit den heißeren Bedingungen zurecht. Allenfalls wenn die trockene durch eine feuchte Hitze verdrängt werden sollte, könnte das zum Beispiel für die besagten Moschusochsen zum Problem werden.


Zootiere haben mit der Hitze kaum Probleme


Für die Besucher wiederum sei der Tiergarten im Hochsommer ein attraktiver Ort: "Wir sind so voll gewesen in den letzten Sommern, weil wir so schattig sind." Durch zusätzliche Picknickplätze habe man versucht, die Aufenthaltsqualität zu steigern (und dafür viel Lob bekommen), auch über Wasserspender zur Selbstbedienung denke man nach. Dank der günstigen geografischen Lage macht sich der Tiergartenchef daher wenig Sorgen, dass der Temperaturanstieg zu einem Besucherrückgang führt: "Gefühlt ist es bei uns zehn Grad kälter als im Stadtzentrum."

Diese Lage sorge auch dafür, "dass wir vor Überflutung gut geschützt sind" und den Nürnbergern nicht Ähnliches drohe wie einst den Kollegen aus den Tiergärten in Bernburg oder Prag. Bei Stürmen sei man bisher glimpflich davon gekommen, müsse aber stets auf der Hut sein und "die gefährlichen Tiere einsperren".

Jenseits solcher praktischer Maßnahmen müsse der Klimawandel in der Zoopädagogik eine Rolle spielen. Man wolle zeigen, warum die Artenvielfalt für die Stabilität der Ökosysteme überlebenswichtig ist, warum sie gefährdet ist und welche Lösungen es gibt. "Wir können am Ende hoffentlich die Geschichte komplett rund erzählen", sagt Encke.

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