Pirinçci: "Es ist mir scheißegal, wenn man mich Nazi nennt"

19.5.2014, 06:00 Uhr
Der in Istanbul geborene Autor hetzt in seinem Buch gegen Homosexuelle, Frauenquote und Flüchtlinge.

© Berny Meyer Der in Istanbul geborene Autor hetzt in seinem Buch gegen Homosexuelle, Frauenquote und Flüchtlinge.

„Es geht mir am Arsch vorbei, wenn man mich einen Nazi nennt, das ist mir scheißegal“, sagt Akif Pirinçci und erntet Bravo-Rufe in der Kleinen Meistersingerhalle. In den großen Zeitungen sorgte der kleine, zierliche Mann, der früher Katzen Kriminalfälle lösen ließ, mit seinem Pamphlet „Deutschland von Sinnen“ dagegen zuletzt eher für eine Welle der Empörung. Ijoma Mangold, Literaturkritiker der „Zeit“, hat das Werk gar mit Adolf Hitlers „Mein Kampf“ verglichen und Pirinçci „pure Menschenverachtung“ vorgeworfen.

Die Alternative für Deutschland aber wolle sich für Meinungsfreiheit einsetzen, deswegen habe die Partei den Autor eingeladen, erklärt Verena Brüdigam vom AfD-Bundesvorstand. „Er ist kein Parteimitglied.“ Die Einladung bedeute auch nicht, dass die AfD alle Thesen des Autors teile. Bei den rund 200 Besuchern der Veranstaltung eckt Pirinçci freilich keineswegs an, in der Diskussion nach der Lesung stößt der 1959 in Istanbul geborene Schriftsteller nur auf Zustimmung – lediglich ein Herr stört sich an der drastischen Wortwahl im Buch. „Wenn ich wütend bin, sage ich halt Arschloch und Wichser“, erklärt Pirinçci. Konservative Autoren seien oft zu brav im Ton. Eine zurückhaltendere Sprache „hätte nicht eine solche Wirkung“. Den Verkaufszahlen schadet der vulgäre Stil in der Tat nicht – 500.000 Euro, erzählt Pirinçci stolz, habe er im vergangenen Monat verdient.

Der Rechtspopulist, der kein guter Vorleser ist und sich oft verhaspelt, hat für die Lesung ein vergleichsweise harmloses Kapitel ausgesucht. Flankiert von hünenhaften, grimmig dreinblickenden Sicherheitsleuten in schwarzen Anzügen, trägt er den Abschnitt „Mit dem Arschloch sieht man besser“ vor, in dem er über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schimpft, der das Geld des deutschen Steuerzahlers verschwende. Das klingt dann so: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist scheiße, die Leute, die ihn betreiben, sind scheiße, das, was sie so teuer fabrizieren, ist scheiße, und deshalb kriegen die Leute von so einer Scheißanstalt auch nur Scheiße zu hören und zu sehen.“

Die an anderen Stellen durchaus etwas differenzierter vorgetragene Kritik an ARD oder ZDF ist aber freilich nicht der Grund dafür, dass sich vor der Kleinen Meistersingerhalle 80 Kundgebungsteilnehmer versammeln, die gegen Pirinçcis Auftritt demonstrieren. Der Autor wettert in dem Buch gegen Homo-Ehe, Frauenquote und denunziert zum Beispiel Asylbewerber als „Cleverle“, die unter „die kuschelige Decke unseres Sozialsystems kriechen wollen“. Er fordert, „ein paar Millionen der hier befindlichen Migrationshintergründler“ nach Hause zu schicken, „bevor sie uns die Haare vom Kopf fressen“.

Ralph Hoffmann vom schwul-lesbischen Zentrum Fliederlich wirft Pirinçci Volksverhetzung vor; ein solcher Ton sei nicht mehr vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. „Die Äußerungen Pirinçcis sind rassistisch, dagegen muss man protestieren“, sagt Eylem Gün, frühere Stadträtin der Linken Liste. „Dieses Land braucht alles andere als mehr Nationalbewusstsein“, meint Ulli Schneeweiß von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Er findet es bezeichnend, dass die AfD den Autor eingeladen hat. „Diese Partei versucht, sich ein bürgerliches Image zu geben, driftet aber immer weiter nach rechts ab.“ Die Travestiekünstlerin Uschi Unsinn kann den Hass nicht verstehen, der Pirinçci offenkundig umtreibt. Homosexuelle würden doch „niemandem etwas wegnehmen, sie wollen nur gleiche Rechte“.

Drinnen mokiert sich Pirinçci später darüber, dass von „Steuergeldern Klos für Leute gebaut werden, die nicht wissen, ob sie einen Schwanz haben“. Er hält, angesprochen auf Uli Hoeneß, Steuerhinterziehung für eine „Heldentat“ und plädiert für eine Einheitssteuer von fünf Prozent – der Staat soll „so wenig Geld wie möglich“ erhalten. Auch das kommt gut an. Am Ende der zweistündigen Veranstaltung holen sich die Besucher fleißig Autogramme.

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