Positiver Tunnelblick

13.7.2008, 00:00 Uhr
Positiver Tunnelblick

© Karl-Heinz Daut

Es ist eine Geschichte, wie es sie nur im Internet gibt: Jemand fängt etwas an, seine Idee begeistert viele Mitstreiter und am Ende entsteht etwas, das es vorher noch nie gab - so wie die Internetenzyklopädie Wikipedia.

Etwa 1000 Eisenbahntunnel gibt es in Deutschland. Der kürzeste ist der zehn Meter lange Felstortunnel bei Regensburg, der längste ist der Landrückentunnel, in dem jüngst ein ICE in eine Schafherde raste .

Doch Lothar Brill interessiert sich nicht für die Tunnel: «Das sind nur schwarze Löcher», sagt der Nürnberger. Er schwärmt für die Portale. 1000 Tunnel in Deutschland, das bedeutet 2000 Tunnelportale. Lothar Brill hat sie fast alle dokumentiert. «150 fehlen noch», sagt er. Dann ist das Sammelgebiet Deutschland abgeschlossen. Die nächsten Projekte sind deshalb bereits in Arbeit: Österreich und die Benelux-Länder.

Genug Arbeit für einige Jahre, meint Brill. Falls er sich da nicht einmal täuscht. Denn auch auch für die Dokumentation der deutschen Tunnelportale hatte er sich auf fast 20 Jahre Kleinarbeit eingestellt. Tatsächlich dauerte es knapp fünf Jahre.

Der Programmierer war einige Zeit arbeitslos gewesen und brauchte dringend eine Beschäftigung. Da erinnerte er sich an ein früheres Hobby, eben die Tunnelportale. Als 18-Jähriger waren ihm bei der Miniatur-Eisenbahn des Modellbauclubs im heimatlichen Eschwege die Tunneleinfahrten aufgefallen, «viel schöner als aus dem Katalog». Die stammen alle aus der Umgebung, sagten ihm die alten Modelleisenbahner: «Wir haben sie fotografiert und im Maßstab H0 nachgebaut.»

Der junge Mann wurde von der Schönheit der profanen Bauten erfasst: Etwa 100 Portale im Umkreis von 200 Kilometern fotografierte er in den kommenden Jahren, kämpfte sich dafür durch dichtes Unterholz und kletterte steile Hänge hinab.

Diese Fotos stellte Brill vor fünf Jahren ins Internet auf seine selbst programierte Seite www.eisenbahntunnel-portale.de. Bereits nach vier Wochen merkte er: «Ich bin nicht allein mit meinem Hobby.» Immer mehr E-Mails mit Bildern anderer Tunnelportale trafen bei ihm ein. Darunter auch historische Aufnahmen, über 100 Jahre alt.

Doch die Internetseite ist keine reine Bildersammlung. Zu jedem Tunnel gibt es Anmerkungen zur Geschichte und auch die ge-naue Länge.

Von den ostdeutschen Tunneln lässt sich die Historie ganz genau verfolgen: Ein ehemaliger Reichsbahner hat nach der Wende die so genannten Tunnelbücher, in denen jede Bauarbeit vermerkt wurde, aus dem Altpapier gerettet und arbeitet diese peu à peu für Brills Projekt auf.

Er selbst fotografiert kaum noch. Eine Stunde täglich sichtet er die E-Mails, stellt neue Bilder und Daten ein. Aber einer muss halt das gesamte Wissen kanalisieren, damit etwas Neues, Großes entsteht. HAUKE HÖPCKE