Protest: Werden 257 Jahre alte Bäume in Nürnberg gefällt?

3.1.2021, 05:32 Uhr
Zwei stattliche Bäume, die weichen mussten: Der Spitzahorn und dahinter die Winterlinde bei Haus 37.

© Claudia Beyer Zwei stattliche Bäume, die weichen mussten: Der Spitzahorn und dahinter die Winterlinde bei Haus 37.

Sie haben eine mehrmonatige Gnadenfrist erhalten. Nun sollen drei alte Riesen gefällt werden, weil sie auf dem Gelände des Nordklinikums in St. Johannis einem Bauprojekt im Weg stehen.

Über die mächtige, 257 Jahre alte Winterlinde sagt der Bund Naturschutz (BN): Mit mehr als drei Metern Stammumfang in einem Meter Höhe gehört die Winterlinde am Klinikum Nord schon zu den ganz großen Stadtbäumen. Der BN ist der Meinung, "dass solche Baumriesen bei einer Bebauung immer berücksichtigt und geschützt werden müssen". Er fordert, den Erhalt und die Ausweisung zum Naturdenkmal. "Es bringt ökologisch und klimapolitisch wenig, tausende kleiner Baumsetzlinge im Wald zu pflanzen und große Stadtbäume vorschnell aufzugeben", mahnt Oliver Schneider vom BN-Arbeitskreis "Bäume in der Stadt".

Mit Fledermausquartier

Neben der Winterlinde steht ein über 180 Jahre alter Spitzahorn mit einem ebenfalls beachtlichen Stammumfang von über 2,20 Metern. Auch dieser Riese soll weichen, ebenso ein großer Totholzbaum (Stammumfang: 2,13 Meter) mit einem Fledermausquartier.

Auf dem Gelände des Nordklinikums soll ein Zentrum für seelische Gesundheit entstehen. Dafür stand bereits im Februar mit Genehmigung der Stadt die Fällung von insgesamt 40 Bäumen und der Abriss von drei Gebäuden an – Haus 37, 38, 39.

Der Bund Naturschutz sprang für drei dieser "besonders schützenswerten Bäume" in die Bresche. Da sich die Winterlinde und der Spitzahorn nahe beim Haus 37 befinden, das zum damaligen Zeitpunkt noch belegt war, wurde auf Intervention der Naturschützer ihre Fällung verschoben. Doch nun steht Anfang Januar der Abriss des Gebäudes an und somit auch die Fällung dieser letzten Bäume auf dem geplanten Baufeld.

Klaus Köppel, Leiter des Umweltamts, spricht von einem "guten Ergebnis", weil die Bäume zumindest noch eine Zeit lang erhalten bleiben konnten. Das Nürnberger Klinikum habe Planungsalternativen geprüft, "doch da die Winterlinde und der Spitzahorn im unmittelbaren Umfang des geplanten Neubaus liegen, war eine Änderung nach Mitteilung des Klinikums leider nicht möglich", berichtet Köppel.

Fünfgeschossiger Neubau

Zur Forderung des BN sagt der Amtsleiter: "Für die Ausweisung als Naturdenkmal ist die Perspektive bezüglich Schutzwürdigkeit und Schutzfähigkeit eines Baumes ganz entscheidend." Im vorliegenden Fall sei die Schutzwürdigkeit der Winterlinde unbestritten, aber leider könne der Schutz auf Grund der fehlenden Alternativen bei den geplanten Baumaßnahmen nicht längerfristig gewährleistet werden. Deswegen habe das Umweltamt sie zur Fällung frei gegeben.

Zum Hintergrund der Maßnahme: Das Zentrum für seelische Gesundheit entsteht auf 4500 Quadratmetern bebauter Fläche. In dem fünfgeschossigen Neubau sollen die Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie, die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie die Kinder- und Jugendpsychiatrie mit ihren Tageskliniken und Stationen einziehen. Sie sind bisher auf mehrere Altbauten übers gesamte Gelände des Nordklinikums verstreut.

Und der Totholzbaum?

Die Tage der alten Bäume sind gezählt. Doris Strahler, stellvertretende Klinikumssprecherin, dazu: "Die Arbeiten zur Baufeldeinrichtung sollen Anfang Januar beginnen, einen genauen Zeitpunkt können wir derzeit noch nicht nennen." Das entscheide sich sehr kurzfristig. Der Totholzbaum sei aktuell nicht zur Fällung vorgesehen, da er sich am Rande des Baufeldes befindet.

Im Zuge der weiteren Planungen werde sein Erhalt geprüft. Zu der Forderung des BN, von den Fällungen abzusehen, da eine konkrete Planung bisher gar nicht bekannt sei und "die Prämisse ausschließlich ,Baufeldfreimachung‘ lautet", äußert sich das Klinikum auf Nachfrage: "Genauere Informationen können wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht geben."

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